Erste Besiedlung und Stadtgründung
Wie auch jüngste Fundstellen beim Bau eines Göttinger Einkaufszentrums beweisen konnten, war das Gebiet um die heutige niedersächsische Stadt bereits seit der frühen Jungsteinzeit besiedelt gewesen. Dennoch hängt die Existenz Göttingens eher mit dem Dorf Gutingi zusammen, das schon mindestens 300 Jahre bestanden hatte, bevor es 953 ein erstes Mal urkundlich erwähnt wurde. Seinen Namen hatte das Dorf vom kleinen Bach Gote erhalten, der zur damaligen Zeit das Dorf durchfloss. Weiteres ist über das Dorf nicht bekannt, was aber nicht für die Pfalz Grona (dt. Grone) gilt, welche nur zwei Kilometer vom Dorf entfernt gelegen hat. Diese wies spätestens seit 915 eine Burg auf und konnte zwischen 941 und 1025 insgesamt 18 Aufenthalte von Königen und Kaisern für sich verzeichnen. Heinrich II. zog sich sogar dorthin mit seiner Ehefrau Kunigunde zurück und starb auch dort. Die Burg existiert heute nicht mehr.
Wie nun die eigentliche Stadt Göttingen genau entstanden ist, darüber schweigen sich die Quellen beharrlich. Man nimmt an, Heinrich der Löwe habe die Stadtgründung initiiert. Sie musste also irgendwann zwischen 1150 und 1200 vollzogen worden sein. Fakt ist, dass die Stadt bereits in ihrer frühsten Geschichte in Konflikte zwischen Welfen und ihren Feinden involviert gewesen war, was aber für die Göttinger Bürger nur fördernd war, konnten diese doch die politisch-militärischen Querelen für sich ausnutzen.
Göttingen im Spätmittelalter
Spätestens seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert verfügte Göttingen über eine Stadtmauer und übertraf die Nachbarstädte und -siedlungen um ein Vielfaches. 1286 hatte Herzog Albrecht der Feiste, damaliger Herrschaft über Südniedersachsen, Göttingen zu seinem Herrschaftssitz gemacht. Er ließ zum Machtausgleich zu Göttingen in dessen Nähe eine neue Stadt errichten, doch dehnte sich Göttingen weiter nach Westen aus und verbaute der Neugründung alle Exitenzmöglichkeiten. 1319 ging die Neugründung durch Kauf sogar ganz an Göttingen über. Es kam zu vermehrten Klostergründungen in und bei der Stadt durch Franziskaner und Dominikaner. Zudem wurden im ausgehenden 13. Jahrhundert Juden in der Stadt angesiedelt. Allerdings kam es bereits in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts zu Pogromen gegen sie sowie zu Vertreibungen, so dass zwischen 1460 und 1599 kein einziger Jude in Göttingen lebte.
Im 14. und im 15. Jahrhundert erlebte Göttingen eine angenehme Blütezeit. Die wirtschaftliche Entwicklung war gut, und das zeigte sich auch in den architektonischen Zeugnissen dieser Zeit. Es entstanden Bauwerke wie die neue St. Johannis-Kirche, die neue St. Nikolai-Kirche, der Neubau der St. Jacobi-Kirche und das (Alte) Rathaus. Der Befestigungsring wurde um 1360 umgestaltet und erweitert. Göttingen konnte längere Zeit nach dem Tode Albrechts des Feisten im Jahre 1318 die Stellung als autonome Stadt weiter festigen, obwohl sie oft von Otto III. bedroht worden war, der die städtische Macht fürchtete. Göttingen konnte gerichts- und grundherrschaftliche Rechte erlangen. Letztlich kam es 1387 zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit Otto III., doch der König unterlag und musste schließlich die Freiheit der Göttinger Güter anerkennen.
In der Folgezeit kam es immer wieder zu starken Konflikten zwischen dem Landesfürsten und der Stadt, die schließlich 1504 kulminierten, als der neue Herrscher Erich bei König Maximilian eine Reichsacht gegen die Stadt erwirken konnte. 1512 gab Göttingen nach, huldigte dem neuen Herrn. Die wirtschaftliche Bedeutung der Stadt wuchs Dank der verkehrsgünstigen Lage im Leinetal an, was auch der heimischen Textilproduktion zu Gute kam. Immer mehr stieg Göttingen zu einer großen exportierenden Tuchmacherstadt auf, deren ökonomische Kraft erst im ausgehenden Jahrhundert durch die englische Konkurrenz zum Erliegen kam. Im 15. Jahrhundert war die Stadt auch endgültig der Hanse beigetreten, wobei das Verhältnis mit diesem Städtebund stets gespannt geblieben war. 1572 trat sie wieder aus.
Göttingen in der Frühen Neuzeit
Die Reformation konnte auch in Göttingen greifen. Begünstigend darauf hatten die starken Spannungen zwischen den Handwerksgilden und dem Rat der Stadt gewirkt. Zunächst aber waren Reformation und sogar der Bauernkrieg von 1524/25 fast spürlos an Göttingen vorübergegangen, und erst im Jahre 1529 begannen die reformatorischen Ideen zu greifen, wobei der schließlich Umbruch auf die neuen Wollenweber zurückzuführen war, die erst seit etwa 50 Jahren in der Stadt lebten. Noch im selben Jahr wurde der erste reguläre evangelische Gottesdienst gefeiert. Am Palmsonntag 1530 wurde die neue Göttinger Kirchordnung verlesen. Am 31. Mai 1531 trat Göttingen dem (protestantischen) Schmalkaldischen Bund bei. Mit dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 wurde Göttingens Konfessionswechsel abgesegnet.
In den Dreißigjärigen Krieg (1618-1648) wurde Göttingen 1623 hineingezogen. Albrecht von Wallenstein belagerte die Stadt 1635 und der katholische Feldherr Tilly kam im Sommer 1626. Letzterer hatte Erfolg und nahm in Göttingen Residenz. Es folgte eine lange, harte Besatzungszeit, bevor Göttingen nach 1631 von den Schweden erobert wurde, was auch keine erhebliche Besserung mit sich brachte. Die letzte große Belagerung erlebte die Stadt durch Piccolomini.
Nach dem Großen Krieg verlor Göttingen wirtschaftlich weiter an Bedeutung und zählte um 1680 nur noch 3.000 Einwohner. Auch der politische Niedergang folgte, als die Vorherrschaft der Gilden von der Herrschaft des Landesherrn abgelöst wurde.
Im Jahre 1734 konnte die Georg-August-Universität ihren Betrieb aufnehmen und schnell große Erfolge feiern. Resultat war ein großer Aufschwung Göttingens, der sich u.a. im Bevölkerungswachstum und der Errichtung vieler neuer Bauwerke äußerte. Schon bald hatte Göttingen die Reputation einer bedeutenden Universitätsstadt inne und zog diverse berühmte Gelehrte an, zu denen auch Carl Friedrich Gauß gehörte, der im Jahre 1807 die Leitung der Sternwarte der Universität übernahm. An der neuen Blütezeit änderten auch die Besatzungen während des Siebenjährigen Krieges nichts, die 1757 und 1762 zu verzeichnen waren.
Göttingens Weg durch die Moderne
Napoléon Bonaparte gelang es 1803, das Kurfürstentum Hannover kampflos einzunehmen. Dieses wurde nun Preußen zugesprochen, was eine preußische Besatzung Göttingens mit sich brachte. Nach dem Frieden von Tilsit (1807) wurde Göttingen zu einem Teil des Königreichs Westphalen und darin zur Hauptstadt des Leine-Departements. 1813 endete die französische Besatzung, die aber nie als Bedrückung empfunden worden war.
1831 kam es im Zuge der aufkeimenden Nationalbewegungen zur so genannten Göttinger Revolution, als ein in Göttingen gegründeter Revolutionsrat vom König eine freie Verfassung für das Königreich Hannover sowie die Ablösung der Regierung verlangte. Diese Forderungen wurden nicht erfüllt und die Revolution scheiterte nach bewaffnetem Kampf. Allerdings wurde die alte Stadtverfassung von 1690 ersetzt und die traditionelle politische Rolle der Gilden gebrochen.
Im Jahre 1837 protestierten sieben Göttinger Professoren gegen die Abschaffung der Verfassung durch Ernst August I. (1771-1851), den König von Hannover. Sie wurden daraufhin am 14. Dezember desselben Jahres ihrer Ämter an der Göttinger Universität enthoben. Die Beteiligten Dahlmann, Gervinus und Jacob Grimm wurden außerdem des Landes verwiesen: Insgesamt setzten sich die berühmten Göttinger Sieben zusammen aus dem Staatsrechtler Wilhelm Eduard Albrecht, dem Historiker Friedrich Christoph Dahlmann, dem Orientalisten Heinrich Ewald, dem Literaturgeschichtler Georg Gottfried Gervinus, dem Physiker Wilhelm Eduard Weber sowie natürlich den beiden Germanisten Jakob und Wilhelm Grimm. Allerdings hatte der Protest der Göttinger Sieben von 1837 die politisch interessierten Bürger der Stadt aufgerüttelt und durch sie 1940 zur Etablierung einer konstitutionellen Verfassung geführt.
Am 31. Juli 1854 wurde die Eisenbahnstrecke von Alfeld nach Göttingen freigegeben und gemeinsam mit dem Göttinger Bahnhof eingeweiht, was zu erheblichen Einwohnerzuwächsen führen sollte. Von 1832 bis 1833 war an der Universität Otto von Bismarck eingeschrieben, dem zu Ehren die Stadt später einen Bismarckturm (auf dem Kleperberg) sowie einen Bismarckstein (am Klausberg) einrichten wollte. Zur Zeit der Jahrhundertwende kam – etwas verspätet – die Industrialisierung nach Göttingen. Nicht nur, dass sich die Universität inzwischen zu einer naturwisssenschaftlichen Hochburg entwickelt hatte, so etablierten sich in Göttingen feinmechanische, optische und elektrotechnische Industriezweige und lösten die alte Textilwirtschaft ab.
Göttingen unter den Nationalsozialisten und nach 1945
Nach dem Ersten Weltkrieg, der – natürlich unter Berücksichtigung seines allgemeinen Leides und Schreckens – Göttingen nicht so hart getroffen hatte wie andere Städte, stabilisierte sich die politische Situation zum Beginn der Weimarer Republik. Später aber hatten auch in Göttingen die Nationalsozialisten so tief und schnell Fuß fassen können, dass die Stadt schon zum Beginn der 1920er Jahre als Nazi-Hochburg gegolten hat. Nach der Machtergreifung Hitlers kam es am 28. März 1933 zur Drangsalierung von Juden und zur Demolierung jüdischer Geschäfte durch die SA. Im selben Jahr wurde nahe Göttingen in Moringen ein Jugendkonzentrationslager etabliert. In der Reichspogromnacht 1938 verwüstete man die Göttinger Synagoge in der Maschstraße und brannte sie nieder. Die 1942 auf lediglich 140 Personen geschrumpfte jüdische Gemeinde der Stadt wurde danach ausnahmslos in die faschistischen Vernichtungslager deportiert.
Im Gegensatz zu vielen anderen deutschen Städten, hatte Göttingen das Glück, in den Luftbombardements der Alliierten nicht allzu stark zerstört worden zu sein. Statistisch gesehen wurde Göttingen alles in Allem zu 2,1% zerstört. Es kam nach 1945 zur britischen Besatzungszone. Göttingen, das bereits Ende der 1940er Jahre zu den am dichtesten besiedelten Städten Deutschlands gehörte, wurde durch Eingemeindungen im Jahre 1964 zur Großstadt. Damals lebten etwa 109.000 Menschen in der Stadt.
Am 12. April 1957 wandte sich eine Gruppe von 18 Atom- bzw. Kernphysikern mit der Göttinger Erklärung bzw. dem Göttinger Manifest der 18 an die Öffentlichkeit. In der Tradition der Göttinger Sieben protestierten sie gegen die damals besonders von Bundeskanzler Konrad Adenauer und Verteidigungsminister Franz Josef Strauß befürwortete Aufrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen. Zu den "Göttinger 18" gehörten u.a. Max Born, Otto Hahn und Carl Friedrich von Weizsäcker.
Neuen Kommentar hinzufügen