Der Beginn
Interessanterweise lässt sich an der Endung "-ingen" des Stadtnamens erkennen, dass die Ansiedlung vor rund 1,5 Tausend Jahren von den Alemannen gegründet worden ist.
Eine schriftliche Erwähnung findet die Ansiedlung allerdings erst 1078, als König Heinrich IV. (1050-1106) auf dem Rückweg von seinem "Gang nach Canossa" zu Papst Gregor VII. (1025-1085) die Burg Tübingen, das "castrum Alemannorum, quod Twingia vocatur" (Das Kastell der Alemannen, das Twingia genannt wird), belagerte.
Die Erbauer der Burg waren die Grafen des Nagoldgaues um 137 , die sich nach der Burg "Grafen von Tübingen" nannten. Ursprünglich wurde hier um 1037 eine Burg errichtet, die im Jahr 1078 erstmals schriftlich erwähnt wurde.
Aus der Zeit um 1081 stammen auch die ersten Erwähnungen der Grafen von Tübingen, die 1149 durch König Konrad III. (1093-1152) in den Stand von Pfalzgrafen erhoben wurden
Unter den Pfalzgrafen erlebte Tübingen einen erheblichen wirtschaftlichen Aufschwung und aus der Ansiedlung wurde eine Stadt:, was sich darin zeigte, dass Tübingenum im Jahr 1231 als "civitas" bezeichnet wurde, was damals Stadt- und Bürgerrechte bedeutete.
Nicht lange nach diesem Termin entstand die Stadtmauer. Auch der "Tübinger Pfennig", eine in der Stadt geschlagene Münze, stammt aus dieser Zeit.
Da sich die Pfalzgrafen - nicht zuletzt durch den wirtschaftlichen Niedergang der Region - stark verschuldet hatten verkauften sie 1342 die Stadt Tübingen mit der Burg an die Grafen und späteren Herzöge von Württemberg.
Unter ihrer Regentschaft wurde Tübingen nach Stuttgart ihrer Einwohnerzahl und der Wirtschaftskraft nach für Jahrhunderte die zweitgrößte Stadt des Landes. Bei der Errichtung des Herzogtums Württemberg 1495 wurde die Stadt neben Stuttgart Residenz- und Hauptstadt.
Tübinger Vertrag
Das Selbstbewusstsein der Stadt und ihrer Bürger zeigte sich u.a., als am 8. Juli 1514 zwischen den württembergischen Landständen und Herzog Ulrich in Tübingen der "Tübinger Vertrag" abgeschlossen wurde. Mit dem Vertrag wollte sich Ulrich die Unterstützung der so genannten Ehrbarkeit, also der Patrizier - bei der Bekämpfung der Bauernaufstände sichern.
In dem Vertrag verpflichtete sich der Regent, Fragen der Steuererhebung, der Landesverteidigung sowie den Verkauf von Teilen des Landes nur in Übereinstimmung mit den Landständen zu regeln. Weiterhin wurde den Untertanen bei Strafprozessen ein ordnungsgemäßes Verfahren zugesichert. Im Gegenzug verpflichteten sich die Landstände, für mindestens 40 Jahre für die finanziellen Verbindlichkeiten des Herzogs aufzukommen. Der Vertrag sicherte letztendlich jedoch die Privilegien der Patrizier und nicht des einfachen Volkes
Dieses Abkommen gilt als das wichtigste Rechtsdokument des damaligen Herzogtums Württemberg und hatte die Verfassungswirklichkeit des Landes und der Stadt bis ins 19. Jahrhundertgeprägt
Erwähnenswert ist zudem noch, dass Tübingen für die Treue der Stadt beim Bauernaufstand des "Armen Konrad" von Herzog Ulrich von Württemberg die Hirschstangen mit den beiden Landsknechtarmen verliehen bekam, die seitdem das Stadtwappen schmücken
Reformation, Universitätsgründung
Gemeinhin wird die Zeit der Entdeckung Amerikas, der Reformation und der Entdeckung der Buchdruckerkunst als der Beginn der Neuzeit angesehen. Dennoch spricht man - historisch daher nicht ganz korrekt - von der Zeit des Dreißigjährigen Krieges und der Hexenverbrennungen im 16 und 17. Jahrhundert vom "dunklen Mittelalter"
Ein herausragendes Ereignis in der Geschichte Tübingens war die 1477 erfolgte Gründung der Universität durch Graf Eberhard im Bart, also an der Schwelle zur Neuzeit.
Die Stadt hatte seinerzeit gerade mal rund dreitausend Einwohner. Um das Jahr 1470 lebten rund 5.000 Menschen in der Stadt
Die Universität errang nicht zuletzt aufgrund ihrer guten wirtschaftlichen und personellen Ausstattung sehr schnell eine große Reputation.
Es gab hier die damals vier klassischen Fakultäten: Theologie, Jura, Medizin und Philosophie. Unter den Lehrenden waren seinerzeit u.a. der Humanist Melanchthon oder der berühmte Mathematiker und Astronom Johannes Stöffler.
Infolge der hiesigen Universität kam es zu einer starken Entwicklung der Stadt, so wurde der Bau Stiftskirche vollendet, Vorlesungsgebäude, Professorenwohnungen, Studentenwohnheime wie die Burse und eine neue Brücke über den Neckar entstanden.
Die noch heute existierende Altstadt entstand im Wesentlichen in dieser Zeit.
Reformation
Von 1520 bis 1534 kam das gesamte Herzogtum - einschließlich der Stadt Tübingen - unter die Herrschaft von Österreich. Herzog Ulrich wurde vertrieben. Aber nach seiner Rückkehr im Jahr 1534 führte er in Württemberg die Reformation ein, wovon besonders die Universität betroffen war
Collegium Illustre
Im Jahre 1594 wurde in der Stadt das Collegium Illustre eröffnet. Das Collegium war eine der ersten Adelsakademien im deutschsprachigen Raum. Hier wurden sowohl dem inländischen wie dem ausländischen Adel- in Ergänzung zum humanistischen Lehrprogramm der Universität - Fächer wie Politik, Naturwissenschaften, Fremdsprachen aber auch Reiten, Fechten und Tanzen nahegebracht. Im Jahr 1628 wurde das Stift infolge des Dreißigjährigen Krieges zeitweise geschlossen
Bis zu ihrer zeitweiligen Schließung 1628 im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges war das Collegium Illustre die Ausbildungsstätte des Adels des In- und Auslandes mit einer enormen Strahl- und Anziehungskraft bis nach Skandinavien, Polen, Ungarn und in die habsburgischen Länder.
Seit dem Jahr 1817 ist das Theologenkonvikt des Bistums Rottenburg-Stuttgart hier untergebracht. Im Jahr 1821 wurde das Stift in Wilhelmsstift umbenannt.
Der Dreißigjährige Krieg zwischen 1618 und 1648 war für Europa und damit auch für Tübingen eine absolute Katastrophe. Die Stadt litt unter Hunger und der Pest sowie unter marodierenden und mordenden Soldaten. Die Stadt erlitt einen heftigen Einwohnerverlust
Am Ende des Krieges wurde Tübingen das Hauptquartier der französischen Truppen. Europa und auch Tübingen brauchte sehr lange, um sich von diesem grauenvollen Krieg zu erholen. Auch die Universität hatte viele ihrer führenden Köpfe verloren und sank für lange Zeit auf ein nur noch mittleres Niveau.
Erst der Mitte des 18. Jahrhunderts versuchte Herzog Karl Eugen (1728-1793) das Niveau der Universität wieder anzuheben, er scheiterte aber am mangelnden Reformwillen der Tübinger Professorenschaft.
Daraufhin wurde von ihm in Stuttgart die "Hohe Karlsschule" gegründet, die 1781 durch Kaiser Joseph II. (1741-1790) zur Universität erhoben wurde. Das führte zu einer Katastrophe für die Tübinger Universität, deren Studentenzahlen teilweise weniger als 200 betrug und in der Folge zu einer Verarmung der gesamten Stadt. Aber infolge des Todes von Herzog Karl Eugen wurde die konkurrierende Universität in Stuttgart 1794 geschlossen.
19. Jahrhundert
Im Jahre 1817 wurde an der Universität eine Staatswissenschaftliche Fakultät – die erste in Deutschland – und im selben Jahr erhielt die Universität eine Katholisch-Theologische Fakultät. Zu dieser Zeit hatte Tübingen rund 7.500 Einwohner. Ein großer Fortschritt war die Errichtung einer Naturwissenschaftlichen Fakultät im Jahr 1863 - es war die erste an einer deutschen Universität
Einen großen Aufschwung nahm Tübingen am Ende des 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, als hier u.a. Ludwig Uhland (1787-1862), Wilhelm Hauff (1802-1827), Gustav Schwab (1792-1850), Justinus Kerner (1786-1862) oder Eduard Mörike (1804-1875) lebten, studierten oder wirkten.
Im Zuge der Stadtentwicklung wurden leider auch manche alten Gebäude abgerissen, so fielen dem u.a. die mittelalterlichen Tore zum Opfer. Andererseits weihte die Universität im Jahr 1845 die "Neue Aula" ein.
Und 1861 bekam Tübingen einen Anschluss an das Eisenbahnnetz, aber dennoch kam es zu keiner nennenswerten Ansiedlung von Industriebetrieben.
20. Jahrhundert bis 1945
Am Beginn des 20. Jahrhunderts hatte Tübingen etwa 15.000 Einwohner und etwas mehr als 1.000 Studenten. Im September 1914 wurde anlässlich einer Kundgebung ein Bekenntnis zum Kaiser und dem Militär abgegeben.
Bald waren von den rund 2.000 Studenten ca. 1.580 beim Militär. Bei der Schlacht von Langemark am 1914 waren auch Studenten aus Tübingen beteiligt und viele sind gefallen. Insgesamt fielen in Langemark rund 40.000 deutsche Soldaten.
Nach dem Ende des Krieges mahnte der "Große Senat" der Universität die Studenten, "möglichst viel von dem in die neue Zeit hinüber zu retten, was schön und gut war". Besonders bedauert wurde das Ende der Monarchie in Deutschland in Württemberg.
Eine extrem nationalistische Rolle nahm Prof. Johannes Haller (1865-1947) ein, der sogar äußerte: "Wir begehren nichts weniger als die Weltherrschaft". Er war ab März 1918 sogar für ein Jahr Rektor der Universität.
Obwohl bei zahlreichen Anlässen, der Vertrag von Versailles heftig kritisiert wurde, fanden nur zwei Langemark-Gedenkfeiern statt, eine am 12. November 1928 und eine zweite am 19. November 1932 - kurz vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten.
Allerdings wurde zum Zeitpunkt der Sonnenwende im Jahr 1922 das Gefallenendenkmal auf der Eberhardhöhe eingeweiht. Bei einer weiteren Sonnenwendfeier 1926 verteidigte der damalige Rektor der Universität Carl Uhlig jedoch die parlamentarische Demokratie und die neue Zeit
Nach der Machtübernahme am 31. Januar 1933 wurde auch die Universität von Tübingen gleichgeschaltet und missliebige Professoren entlassen oder verhaftet. Besonders rigoros war das Vorgehen gegen Menschen jüdischen Glauben bzw. Abstammung.
Tübingen wurde während des Krieges nur relativ wenig zerstört, man geht von rund 80 zerstörten Häusern aus, darunter das Uhlandhaus. Die abziehenden Nazis hatten jedoch mit Ausnahme der Eberhardsbrücke noch alle hiesigen Brücken über den Neckar gesprengt
Am 19. April wurde die Stadt durch den Oberbürgermeister Fritz Haussmann (1873-1951) kampflos an die Franzosen übergeben. Haussmann war nur vom 19. April bis zum 18. Juni 1945 Oberbürgermeister der Stadt.
Nach dem Einmarsch des 5. marokkanischen Schützenregiments kam es in den folgenden Tagen zu zahlreichen Plünderungen und Vergewaltigungen.
Nach dem 2. Weltkrieg
Der Nachfolger von Haussmann im Amt des Oberbürgermeister war vom 18. Juni 1945 bis zum 31. Dezember 1945 Viktor Renner (1899-1969).
Die große Bedeutung von Tübingen zur damaligen Zeit sieht man u.a. daran, dass die Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1952 Hauptstadt des damaligen Landes Württemberg-Hohenzollern war. Die Hauptstadtfunktion endete am 25. April 1952 mit der Gründung des Bundeslandes Baden-Württembergs mit der Hauptstadt Stuttgart.
Wie fast die ganze Zeit, bestimmt auch heute noch die Universität mit ihren Professoren, Studenten und Angestellten stark das Bild der Stadt.
Juden in Tübingen
Nach der Vernichtung der meisten Juden in den KZ`s der Nazis, hat sich mittlerweile wieder jüdisches Leben in der Stadt entwickelt
Im Mittelalter
Die Anwesenheit von Juden in Tübingen erfolgte im 12. Jahrhundert, wurde aber erst im Jahr 1335 schriftlichbezeugt. Die Pfalzgrafen von Tübingen gaben den Juden einige Selbstverwaltungsrechte.
Im Zusammenhang mit der Pestepidemie 1348 kam es in Tübingen wie in anderen Städten wahrscheinlich auch Progromen an den hiesigen Juden, denen nachgesgt wurde durch das Vergiften von Brunnen, verantwortlich für die Epidemie zu sein. Aber gesichert sind derartige Progrome nicht kam, ist ungewiss. Im Jahr 1459 wurden Tübinger Juden inhaftiert, weil sie höhere Zinsen für Kredite genommen hatten nahmen, als Ihnen erlaubt war. Um 1471 gab es in Tübingen gerademal fünf jüdische Familien., die im Jahr 1477 aus der Stadt verbannt wurden
Wiederansiedlung
Zu einer erwähnenswerten Ansiedlung von Juden in Tübingen kam es erst in der letzten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Im Jahr 1882 konnten sie sogar eine Synagoge errichten. In dieser Zeit waren die Juden wirtschaftlich, politisch und kulturell in der Stadt gut integriert. Besonders ihr Ihr wirtschaftlicher Erfolg erleichterte ihre gesellschaftliche Anerkennung. Unerklärlicherweise änderte sich nach dem Ersten Weltkrieg die vorher positive und tolerante Einstellung nicht nur bei den Bürgern sondern auch an der Universität. Es kam zu judenfeindlichen verbalen und sogar körperlichen Angriffen.
Die Vernichtung
Waren die Juden bis 1933 nicht angesehen und häufiger judenfeindlichen Ausschretungen ausgesetzt, kam es nach der Machtergreifung der NAzis bekanntlich zur systematischen Verfolgung der Juden in ganz Deutschland, die mt der Massenvernichtung in den Konzentrationslagern endete. Vielen Juden gelang vor ihrer Deportation allerdings noch die Flucht, so gab es von den 1932 hier in Tübingen lebenden 127 Gemeindemitgliedern bereits 1932 nur noch 25 Juden.
Nach dem Krieg
Nur zwei von den Tübinger Juden überlebten die Vernichtungslager und ein Emigrant kam 1958 aus Israel nach in die Stadt zurück, wo er 1981 verstarb.
In den ersten Nachkriegsjahren wollten die Menschen praktisch nichts von den Verbrechen der Nazis an den Juden wissen, es kam sogar zu beschämenden Auseinandersetzungen über die Rückgabe von "arisiertmn" jüdischen Eigentum. Der Bundesgerichtshof hatte so beispielsweise dafür gesorgt, dass kein Nazirichter-oder -Staatsanwalt zur Rechenschaft gezogen wurde.
Die Aufarbeitung dieser Zeit kam nicht zuletzt durch die Proteste der "Achtundsechsziger" in Gang. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang das Buch "Die Tübinger Juden" von Lilli Zapf von1974. Zu einem offiziellen Gedenken durch die Stadt kam es erst1978 , als man am Rand des Grundstücks der früheren Synagoge an einem Brunnen eine Gedenktafel anbrachte.
Und 1981 lud die Stadt die Überlebenden offiziell ein, die Stadt zu besuchen.
Aber 1998 entfernte man beim Bau einer Wohnanlage auf dem Gelände der ehemaligen Synagoge die noch vorhandenen Fundamente. Glücklicherweise konnten Bürger der Stadt durchsetzen, dass wenigstens am Rand des Grundstücks eine kleine Fläche als Gedenkstätte errichtet werden.
Seit einer Reihe von Jahren gibt es wieder jüdisches Leben in Tübingen.
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