Neuruppin: Stadtgeschichte

Vom Anfang bis 1900
Als Geburtsstunde von Neuruppin gilt das Jahr 1256, als Graf Günter von Arnstein der Siedlung am Ruppiner See das Stendaler Stadtrecht verliehen hatte. Bereits Anfang des 13. Jahrhunderts entstand hier im heutigen Stadtteil Alt Rupin eine Burg, die im Besitz des Grafen von Arnstein war. Und 1246 gründete Wichmann von Arnstein das erste Dominikanerkloster von Brandenburg. Die Befestigung der Stadt erfolgte im Verlauf 13. Jahrhundert durch Palisaden und ein Wall-Grabensystem, die später durch Mauern und Wall-Grabenanlagen ersetzt wurden. Außerdem verstärkten 24 Wiekhäuser und zwei hohe Türme die Stadtmauern. Dazu kamen drei Tore, das Altruppiner/Rheinsberger Tor im Norden, das Berliner/Bechliner Tor im Süden und das Seetor im Osten. Die vollständige Ummauerung der Stadterfolgte gegen Ende des 15. Jahrhunderts. Im Jahr 1524 kam Neuruppin nach dem Aussterben der Grafen von Lindow-Ruppin zur Mark Brandenburg.

Neuruppin gehörte im Mittelalter zu den größeren nordostdeutschen Städten, wobei aus dieser Zeit unter anderem Teile der Stadtmauer, Teile der Klosterkirche St. Trinitatis (1246), die St. Georgs-Kapelle (1362), das Siechenhospital (1490) mit der 1491 geweihten St.-Lazarus-Kapelle sowie Reste des Seeviertels bis heute erhalten sind . Zur Feier eines Friedensvertrages veranstaltete Kurfürst Joachim I. (1484-1535) im Jahr 1512 in Neuruppin ein dreitägiges Ritterturnier, das damals wegen seiner Pracht im ganzen Lande von sich reden machte . Im Dreißigjährige Krieg wurde auch Neuruppin verwüstet. Im Zuge der Reformation fiel der Klosterbesitz um 1540 an den Kurfürsten, der es jedoch 1564 der Stadt schenkte.

1688 wurde Neuruppin eine der ersten Garnisonsstädte von Brandenburg. In dieser Zeit wurde Bernhard Feldmann Stadtphysikus, dessen Abschriften historisch interessanter Ratsakten gelten als wichtigste Sammlung von Quellen zur frühen Stadtgeschichte, da die Originalakten beim Stadtbrand 1787 vernichtet wurden. Nach 1685 siedelten sich unter dem Großen Kurfürsten (1620-1688) aus Frankreich geflüchtete Hugenotten an. Ab 1740 hatte der Orgelbauer Gottlieb Scholtze seine Werkstatt in Neuruppin, von dem u. a. die Orgel in Rheinsberg stammte.

Ein schlimmer Einschnitt für die Stadt war der Brand vom 26. August 1787, das in einer mit Getreide gefüllten Scheune am Bechliner Tor ausbrach und sich rasend schnell verbreitete - nur zwei schmale Bereiche am Ost- und Westrand der Stadt blieben erhalten. Insgesamt wurden amtlichen Unterlagen nach 400 Häuser, 228 Ställe und 38 Scheunen, sowie die Pfarrkirche St. Marien, das Rathaus, die reformierte Kirche und das Prinzliche Palais ein Opfer des Feuers. Erstaunlicherweise kamen die Einwohner mit dem Schrecken davon, Menschenleben waren nicht zu beklagen.

Friedrich Wilhelm II. (1744-1797) hatte danach Order erteilt, die Stadt wieder aufzubauen. Der in der Stadt tätige Stadtbaudirektor Bernhard Matthias Brasch (1741–1821) setzte die Vorgaben der Wiederaufbaukommission um und beaufsichtigte die entsprechenden Arbeiten. Braschs Plan sah die Erweiterung der Stadt von einer Fläche von 46 auf knapp 61 ha bei Beseitigung der Wälle zwischen Tempelgarten und See vor. Lange und breite Straßen, die durch Plätze, und Häuser unterbrochen prägen seit jener Zeit das Stadtbild. Auf diese Weise entstand eine einzigartige klassizistische Stadtanlage. Der Wiederaufbau konnte bereits im Jahr 1803 beendet werden. Zum Dank hatten dafür die Neuruppiner im Jahr 1829 ein Denkmal des Königs errichtet.

Bis zu seinem Umzug ins Rheinsberger Schloss im Jahr 1736 hatte sich der Kronprinz und spätere König Friedrich II. (1712-1786) auf der historischen Wallanlage ein Gartenidyll geschaffen. Dessen Apollotempel bildet bis heute das Zentrum des Tempelgartens, der jedoch Mitte des 19. Jahrhunderts im maurischen Stil umgestaltet wurde Johann Bernhard Kühn (1750–1826) begann in Neuruppin mit der Produktion der Bilderbogen. Sein Sohn Gustav Kühn (1794–1868) erreichte Auflagen von teilweise über drei Millionen Stück pro Jahr. Die Drucke wurden mit der Aufschrift „Neu-Ruppin, zu haben bei Gustav Kühn“ weltweit bekannt. Im September 1820 kam das Infanterie-Regiment 24 mit dem Regimentsstab und zwei Bataillonen nach Neuruppin, während das Füsilier-Bataillon des Regiments in Prenzlau stationiert wurde.

1877 richtete der Orgelbauer Albert Hollenbach (1850-1904) seine Werkstatt in Neuruppin ein. Von ihm stammen u. a. Orgeln in den Kirchen der Ortsteile Bechlin, Buskow, Karwe, Nietwerder und Storbeck sowie der Siechenhauskapelle in der Altstadt Neuruppins. Nach 1880 wurde Neuruppin Mittelpunkt eines Neben-Eisenbahnnetzes, das bis 1945 von der Ruppiner Eisenbahn AG betrieben wurde.

Anfang 1900 bis 1970
Seit 1905 werden Feuerlöscher in Neuruppin hergestellt. Insbesondere die Minimax-Feuerlöscher verbreiteten sich aufgrund ihrer einfachen Handhabung schnell. Im Ersten Weltkrieg wurde eine Fliegerstaffel in Neuruppin stationiert und ein zudem Flugplatz angelegt. 1921 wurde im Ortsteil Gildenhall vom Baumeister und Siedlungstechniker Georg Heyer (1880–1944) eine Freilandsiedlung begründet, deren Ziel es war, Künstler und Kunsthandwerker zum gemeinsamen Wohnen und Arbeiten zu versammeln, sie bestand bis 1929. 1926 wurde die neben dem Bahndamm über den Ruppiner See gelegene Straße fertiggestellt. Die erhielten so einen direkten Anschluss an Neuruppin. 1929 wurden die Siedlungen Gildenhall und Kolonie Wuthenow eingemeindet, nachdem bereits 1928 der Gutsbezirk Treskow eingemeindet worden war

Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wurden im Juni 1933 mehr als 80 politische Gegner der Nazis, vor allem Sozialdemokraten, Juden und Kommunisten, in ein Gebäude der stillgelegten Brauerei an der Altruppiner Allee verschleppt und teilweise ermordet, darunter waren etwa 90 jüdische Bürger. Seit dem 17. November 2003 erinnern Stolpersteine an diese Menschen.
An die hier gefolterten und ermordeten Menschen erinnert ein 1947 geschaffener Gedenkstein sowie das 1981 erstellte Figurenensemble. Am 1. Mai 1945 erreichten die Sowjetischen Truppen die Stadt und bereiteten den Beschuss der Stadt vor. Jedoch gelang es einem bis heutzutage Unbekannten am Turm der Klosterkirche eine weiße Fahne zu hissen, dasselbe geschah es an der Pfarrkirche. Auf diese Weise konnte die Zerstörung der Stadt verhindert werden. Nördlich des Bahnhofs Rheinsberger Tor wurde ein sowjetischer Ehrenfriedhof eingerichtet, auf dem über 220 sowjetische Soldaten ihre letzte Ruhestätte fanden.

1951 wurden in Neuruppin die Elektro-Physikalischen Werkstätten gegründet, die ab 1970 als Elektro-Physikalische Werke (EPW) zum größten Leiterplattenhersteller der DDR mit bis zu 3.500 Angestellten und Arbeitern wurden.1952 wurde Neuruppin infolge der Kreisgebietsreform der DDR zur Kreisstadt des gleichnamigen Kreises im Bezirk Potsdam. Neuruppin wurde zu einer der größten Garnisonen der der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland. Dabei nutzten die Sowjets u.a. den nördlich der Kernstadt gelegenen Militärflugplatz, was zu erheblicher Lärmbelästigung in der Stadt führte.

Neuruppin von 1970–1989
Neuruppin sollte den Plänen der SED nach zu einer modernen Kreisstadt mit bis zu 100.000 Einwohnern entwickelt werden. So wurden beispielsweise ab den 1970er Jahren die VEB Elektrophysikalische Werke Neuruppin aufgebaut, die die Leiterplatten-Produktion für die Mikroelektronik- und Unterhaltungstechnik-Industrie der DDR übernehmen sollte. Der VEB Feuerlöschgerätewerke Neuruppin als Hauptproduzent von Handfeuerlöschern und das Volkseigene Backwarenkombinat als Hauptproduzent von Backwaren wurden erheblich erweitert. Dies alles erforderte den Zuzug von qualifizierten Mitarbeitern. Die Planungen zu einer sozialistischen Kreisstadt sahen unter anderem den Bau mehrerer neuer Wohnkomplexe vor. Aber wegen der schwindenden Wirtschaftskraft der DDR konnten ab den 1970er Jahren nur einige städtebauliche Projekte in die Tat umgesetzt werden, so beispielsweise:
• VEB Elektrophysikalische Werke Neuruppin“
• Volkseigenes Kombinats Backwaren Neuruppin“
• VEB Feuerlöschgerätewerk Neuruppin“
• 1961: Poliklinik Neustädter Straße
• 1970–1974: Wohnkomplex I
Junckerstraße / Thomas-Mann-Straße / Franz-Maecker-Straße
• 1972–1974: Wohnkomplex II
Hermann-Matern-Straße / Erich-Schulz-Straße / August-Fischer-Straße / Anna-Hausen-Straße I
• Wohnkomplexes III
Heinrich-Rau-Straße / Bruno-Salvat-Straße / Otto-Grotewohl-Straße / Otto-Winzer-Straße / Rudolf-Wendt-Straße

Neuruppin entwickelte sich durch seine wachsende Technologie und Industrie von 1970 bis 1989 von einer Kleinstadt mit rund 18.000 Einwohnern zu einer Stadt mit rund 33.000 Einwohnern. Glücklicherweise blieb die Altstadt Neuruppin aus finanziellen Gründen von den geplanten Umgestaltungen verschont, verfiel aber bis Ende der 1970er Jahre. Aber ab der 1980er Jahre wurde die Altstadt Neuruppin bis 1986 nach klassizistischem Vorbild saniert

Nach der Wende bis heute
Entgegen dem Trend nach der Wende wurden im Bundesland Brandenburg keine Wohngebäude abgerissen, daher blieben alle Wohnungen der Wohnkomplexe I bis III in Neuruppin ganz im kommunalen oder genossenschaftlichen Eigentum. Bei der Neubildung der Landkreise, die am 6. Dezember 1993 in Kraft trat, ging der Landkreis Neuruppin im Landkreis Ostprignitz-Ruppin auf. Am gleichen Tag wurde Neuruppin durch Eingemeindung der Stadt Alt Ruppin sowie der Gemeinden Buskow, Gnewikow, Gühlen-Glienicke, Karwe, Krangen, Lichtenberg, Molchow, Nietwerder, Radensleben, Stöffin, Wulkow und Wuthenow deutlich vergrößert. Bis 1991 war Neuruppin Standort der 12. sowjetischen Panzerdivision. Nach dem Abzug der Sowjets aus der Stadt und ganz Ostdeutschland wurden die Kasernen im Rahmen der Expo 2000 als Außenprojekt zu Wohnhäusern umgebaut. . Am 11. März 1998 wurde der Stadt die Zusatzbezeichnung Fontanestadt verliehen. Am 12. Mai 2011 erhielt die jodhaltige Thermalsole Neuruppin die staatliche Anerkennung einer Heilquelle im Land Brandenburg.

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