Vorzeit, Legende
Archäologische Funde weisen auf eine erste Besiedelung des Ortes im 2. Jahrhundert nach Christus hin. Damals scheint sich am Ufer der Schelde eine römische Siedlung befunden zu haben. Der Legende nach geht der heutige Name der Stadt auf jene Zeit zurück. Damals, so wird erzählt, wachte ein mächtiger Riese über den Fluss. Jeder Fischer oder Händler, der die bewachte Stelle passieren wollte, musste dem Riesen Zoll entrichten. Wer der Forderung nicht nachkam, dem hackte der Riese eine Hand ab und warf sie in den Fluss. Silvio Brabo, ein römischer Zenturio, soll es mit dem Riesen aufgenommen und ihn nach einem heftigen Kampf besiegt haben. Als Zeichen des Sieges schlug er ihm eine Hand ab und warf sie in die Fluten der Schelde. Aus dem niederländischen Hand werpen (dt. Hand werfen) soll, so sagt die Legende, der Name Antwerpen geworden sein.
Vom 2. Jahrhundert bis 1576
Was auch immer an der Geschichte dran ist, eine römische Siedlung hat es hier gegeben und sie hat wohl um die 150 Jahre lang bestanden. Zwischen dem 9. und dem 10. Jahrhundert wurde die ehemals römische Siedlung auf drei Seiten von einer Befestigungsmauer umschlossen, auf der anderen war sie von der Schelde geschützt. 980 wurde Antwerpen zur Markgrafschaft erhoben, was der Stadt ein verstärktes Wachstum und die Niederlassung von Händlern und Handwerkern bescherte. Der Steen, die noch heute erhaltene Burg, wurde zu jener Zeit errichtet. Aufgrund der Schelde, auf der zahlreiche Waren zwischen der Nordsee und weiter im Inland gelegenen Regionen verschifft wurden, wuchs die Handelsaktivität der Stadt. Dies sollte den Grundstein für den kommenden Reichtum der Antwerpener Bürger legen. Die wirtschaftliche und politische Macht des handels- und handwerksorientierten Bürgertums wuchs und im 12. Jahrhundert verlor der Adel mehr und mehr an Einfluss. Im Jahr 1121 wurden der Stadt vom Herzog von Brabant städtische Rechte gewährt. Die wirtschaftliche Bedeutung und der Reichtum der Stadt nahmen danach weiterhin stetig zu. Mit dem Niedergang der Stadt Brügge im 15. Jahrhundert wuchs die Bedeutung von Antwerpen noch weiter deutlich an und die Stadt konnte sich endgültig als wichtiger Handelsplatz behaupten. Die Einwohnerzahlen stiegen, so dass gegen Ende des Jahrhunderts an die 50.000 Menschen in Antwerpen lebten.
Von 1585 bis 2. Hälfte 16. Jahrhundert
Als die Stadt und der Hafen im Verlauf des Niederländischen Unabhängigkeitskrieges im Jahr 1585 von den Spaniern erobert wurden, blockierten die Niederländer, die die nördlich gelegene Scheldemündung kontrollierten, den Antwerpener Hafen. Diese Scheldeblockade wurde über Jahrhunderte aufrechterhalten und führte zur wirtschaftlichen Stagnation des Hafens, während die Konkurrenzhäfen in den nördlichen Niederlanden, insbesondere der Hafen von Amsterdam, aufblühten. Nach der Gründung des Vereinigten Königreichs der Niederlande im Jahr 1815 wurde die Scheldeblockade aufgehoben und anschließend verzeichnete der Antwerpener Hafen einen großen Aufschwung.
Nach der Abspaltung Belgiens von den Niederlanden im Jahr 1831 wurde die aber weiterhin unter niederländischer Herrschaft verbliebene Scheldemündung nicht wieder geschlossen, die Niederländer erhoben jedoch einen Scheldezoll, der die Entwicklung der Schifffahrt nach Antwerpen deutlich behinderte. Erst im Jahr 1863 gelang es den Belgiern, sich für eine von 36 Millionen belgische Franken vom niederländischen Scheldezoll freizukaufen. Der Reichtum der Stadt nahm erheblich zu und mit dem Geld kamen auch die Künstler. Im frühen 16. Jahrhundert, das als Antwerpens Goldenes Zeitalter bezeichnet wird, siedelten sich mehr und mehr berühmte Künstler der Zeit in der Stadt an und begründeten durch ihr Schaffen den Ruf der Stadt als bedeutendes künstlerisches Zentrum. In diese "Goldene" Zeit fällt die Errichtung zahlreicher prächtiger Gebäude in der Stadt. 1564 wurde das Rathaus fertig gestellt, in dem fortan die Geschicke der Stadt mit ihren jetzt knapp 100.000 Einwohnern gelenkt wurden.
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, im Zuge des Achtzigjährigen Krieges (1568 - 1648), wurde die Stadt von gewalttätigen Konflikten zwischen Katholiken und Protestanten erschüttert. Der spanische König Philipp II. (1527-1598), dessen Truppen in der Stadt stationiert waren, griff mit grausamer Härte ein. Am 4. November 1576 plünderte die Armee die Stadt. Tausende Bürger wurden dabei ermordet und hunderte Häuser niedergebrannt. Philipp II. war der Sohn von Karl V. (1500-1558)
Bis Ende 18. Jahrhundert
1581 wurden die Vereinigten Provinzen gegründet, die den Vorläufer des Niederländischen Staates bildeten. Plötzlich fand sich Antwerpen in der Lage einer Grenzstadt wieder. Bedauerlich für die Stadt war, dass die Scheldemündung vom nördlichen Widersacher kontrolliert wurde und der Seehandel, die Quelle des Reichtums, zum Erliegen kam. Antwerpen war gezwungen, andere Einkommensquellen zu erschließen. Die Händler und Handwerken der Stadt setzten fortan auf die Produktion und den Handel mit Luxusgütern. Antwerpen entwickelte sich zu einem Zentrum des Buchdrucks und vor allem der Diamantenschleiferei. Dennoch war die Stadt in jener Zeit stark vom Niedergang gezeichnet.
Im Laufe des Achtzigjährigen Krieges verließen tausende Einwohner die Stadt und die Wirtschaft konnte sich davon lange nicht erholen. Nach dem Ende des Krieges (1648) verschwand die Stadt sogar in eine wirtschaftlicher Bedeutungslosigkeit. Neue Impulse für das Stadtwachstum kamen erst durch die Französischen Revolutionstruppen unter Napoleon, die gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Stadt einnahmen. Unter den Franzosen wurde der Hafen ausgebaut und die Blockade der Scheldemündung aufgehoben. Der Seehandel konnte wieder aufgenommen werden und der Stadt standen gute Zeiten bevor. Bis heute ist der Hafen Antwerpens ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.
Bis 1920
Zwischen 1815 und 1830 gehörte die Stadt zum Königreich der Niederlande, und erst seit dem Jahr 1830 ist sie ein Teil Belgiens. Da in der Folgezeit die Scheldemündung jedoch von den Niederlanden beherrscht wurde, die die Handelsschiffe mit hohen Zöllen belegten, hatte Antwerpen abermals mit einer wirtschaftlichen Stagnation zu kämpfen. 1863 wurden die Zölle aufgehoben, wodurch es zu einem wirtschaftlichen Aufschwung kam. Der Hafen entwickelte sich zu einem der wichtigsten in Europa und ist noch heute nach Rotterdam von großer Bedeutung für den Handel des Kontinents. Zu Beginn des 20. Jahrhundert lebten etwa 300.000 Menschen in der Stadt. Während des Ersten Weltkriegs war Antwerpen Schauplatz von Gefechten, die Teile der Stadt in Mitleidenschaft zogen. Sie konnte sich jedoch erholen und richtete schon 1920 die Olympischen Sommerspiele aus.
Zweiter Weltkrieg
Im Zweiten Weltkrieg wurde Antwerpenam 18. Mai 1940 von deutschen Truppen besetzt, und kurz darauf am 28. Mai hatte die belgische Armee unter König Leopold III. (1901-1983) kapituliert. Während der deutschen Besatzung wurden Hunderte Antwerpener Juden deportiert und ermordet, oft mit Hilfe von flämischen Nazis, die ca. 10% der Bevölkerung ausmachten. Aber ein Großteil der Juden konnte sich jedoch retten. Während der Besatzung hatten sich immer wieder Widerstandsgruppen gebildet, von denen die meisten aber von den Nazis enttarnt und zerschlagen wurden. Besonders erwähnenswert ist dabei die im August 1944 von Norbert Laude von der Kolonialen Hochschule aus koordinierten verschiedene Widerstandszellen, die u.a. Widerstands-Flugzettel herausgeben, Informationen über die Nazis sammeln, und dabei gefährdeten Menschen helfen unterzutauchen. Im August wurden die Widerständler in der Hochschule von den Deutschen entdeckt und Norbert Laude und mehrere seiner Mitverschwörer wurden verhaftet und gefoltert. Glücklicherweise wurden sie von den Briten befreit, wodurch Laude seiner Hinrichtung entging.
Bereits am 4. September 1944 wurde die Stadt durch britische Truppen von den Nazis befreit, nachdem sie die belgische Grenze am 1. September erreicht hatten. Und am 23. November konnte auch der Hafen eingeschränkt seinen Betrieb wieder aufnehmen Nach der Befreiung wurde die Stadt jedoch massiv von deutschen V-1 und V-2 Raketen beschossen, die erheblichen Schaden angerichtet hatten und Teile der Stadt dabei zerstört hatten – die letzte Rakete war am 28. März 1945 eingeschlagen. Besonders dramatisch war der Einschlag einer V2 in das Rex-Kino am 16. Dezember 1944 mit insgesamt 567 Toten. Insgesamt kamen während der sechsmonatigen Angriffe etwa 2.950 Zivilisten und ca. 600 alliierte Soldaten ums Leben ums Leben.
Vom Kriegsende bis heutzutage
Nach Kriegsende im Jahr 1945 konnte der Hafen intensiv und ungestört weiter betrieben und die Handelsstellung der Stadt gefestigt werden. Der Hafen von Antwerpen ist mit einer Umschlagsmenge von rund 231 Millionen Tonnen nach Rotterdam in den Niederlanden der zweitgrößte Hafen Europas. Bis ins 19. Jahrhundert befand sich der Hafen am rechten Ufer der Schelde, am Eingang der Stadt, den Schelde-Kais. Im 19. Jahrhundert wurde der Hafen dann durch das Anlegen des Napoleondocks erweitert. 1879 wurde eine Eisenbahnverbindung für den Güterverkehr ins Ruhrgebiet eröffnet und der Hafen danach deutlich erweitert.
Der Hafen umfasst heutzutage eine Fläche von 152,3 km² und ist für Stückgut sogar der größte Hafen weltweit. Weiterhin beherbergt der Hafen von Antwerpen nach Houston in den USA den zweitgrößten Chemieindustriepark der Welt. Im Jahr 2020 wurden rund 12 Millionen Container umgeschlagen. Der Hafen liegt als Dockhafen an der Trichtermündung der Schelde. Durch diese Mündung können Schiffe mit einer Größe über 100.000 Tonnen über 80 km weit ins Inland fahren. Daher benötigt importierte Ware rund 80 km weniger per Eisenbahn- oder Straßenverkehr zurückzulegen. Ein wichtiger Grund für die Größe und Bedeutung des Hafens ist zudem seine zentrale Lage. So liegen in einem Radius von 250 km fünf Hauptstädte sowie die deutsche Metropolregion Rhein-Ruhr mit 10 Millionen Einwohnern.
Ein wichtiger Schritt in der letzten Zeit war, dass sich Antwerpen und der Hafen Zeebrügge am 22. April 2022 nach langer Rivalität zusammengeschlossen hatten, um als Hafen Antwerpen-Brügge ihren zweiten Platz in Europa weiterhin erhalten und ausbauen zu können. Die Stadt hatte nach dem Krieg viele Anstrengungen unternommen, die durch die Nazis vertriebenen bzw. geflüchteten Juden wieder zurück in die Stadt zu holen. Tausende kamen dieser Initiative nach, so dass Antwerpen heute über die größte jüdische Gemeinde Europas verfügt. Auch kulturell hatte sich im Laufe des 20. Jahrhunderts viel getan, so wurde im Jahr 1993 die Stadt zur Kulturhauptstadt Europas erklärt.
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