Übersicht
Als Kinetose (von griechisch kinein = bewegen) wird eine Reise- oder Bewegungskrankheit bezeichnet. Die Reisekrankheit entsteht durch ungewohnte Bewegungen im Raum, zum Beispiel auf dem Schiff, im Flugzeug, im Zug oder im Auto, aber auch im Weltall.
Obwohl eine Kinetose im Volksmund als Reise-"Krankheit" im bezeichnet wird, handelt es sich genau genommen nicht um eine Erkrankung. Es ist eine normale Reaktion auf einen speziellen Reiz, den der Betroffene nicht gewohnt ist. Darum kann prinzipiell jeder eine Kinetose entwickeln.
Name |
Kinetose |
Weitere Bezeichnungen |
Reisekrankheit, Reiseübelkeit |
Unterformen |
Pseudokinetose |
Vorkommen |
Auf Reisen im Auto, Bus, Zug, Schiff oder im Flugzeug |
Ursachen |
Widersprüchliche Reizsignale |
Risikofaktoren |
Kinder (2-12 Jahre), Schwangere, starke Gerüche, Koffein, Alkohol, Angst, Migräne |
Symptome |
Kopfschmerzen, Müdigkeit, Übelkeit, Schwindel, Erbrechen, kalter Schweiß, Ohnmacht |
Therapie |
Medikamentöse Therapie (Dimenhydrinat, Scopoderm, Promethazin. Kwells), Ingwer |
Prophylaxe |
Koffein und Alkohol meiden, nicht mit leeren Magen reisen, selbst steuern, Horizont fixieren, mittigen Sitzplatz wählen |
Ursachen
Grundlage einer Kinetose ist eine unübliche Reizung des Gleichgewichtsorgans. Hierbei handelt es sich um einen Reiz in Form einer Beschleunigung. Ab einer gewissen Beschleunigung reagiert jeder Mensch mit Schwindel, aber die Reizschwellen, die Symptome auslösen, sind von Mensch zu Mensch verschieden. Manchen wird bereits nach einer längeren Zeit im Auto schlecht, andere fahren etliche Male mit der Achterbahn und fühlen sich danach vielleicht nur leicht benommen. Kinetosen sind also natürliche Körperreaktionen. Die genaue Ursache liegt darin, dass das Gehirn Informationen über seine Umwelt erhält, die es nicht miteinander vereinbaren kann. Wer zum Beispiel bei wechselnder Geschwindigkeit lesend im Auto, erhält im Gehirn einerseits die Information, dass sich die Umwelt nicht bewegt.
Der Text auf den Seiten bleibt in der Position zum Auge schließlich gleich. Gleichzeitig melden aber die Gleichgewichtsorgane, dass der Körper sich im Raum nach vorn bewegt, er wird beschleunigt. Dieser Konflikt löst einen "vagalen Reflex" aus, was bedeutet, dass der Vagus-Nerv aktiviert wird. Der Vagus-Nerv ist dafür verantwortlich, dass zu Kopfschmerzen und Schwindel noch andere Begleitsymptome kommen können. Neben den "richtigen" Kinetosen, bei denen reale Umweltreize vorliegen, gibt es auch "Pseudokinetosen": So erhält das Gehirn zum Beispiel beim Fernsehen und Videospielen (noch verstärkt bei der Benutzung von 3D-Brillen) Informationen über eine Bewegung, obwohl der Körper in Ruhe bleibt. Diese Scheinbewegungen können dieselben Symptome wie bei der Reisekrankheit auslösen.
Anzeichen, Symptome
Die typischen Symptome einer Reisekrankheit sind:
• Schwindel
• Kopfschmerzen
• Übelkeit (Nausea) und
• Erbrechen
Schwindel und Kopfschmerzen lassen sich direkt aus dem Informationskonflikt der Sinnesorgane erklären. Der Vagus-Nerv löst weitere Reaktionen aus. Das "flaue Gefühl" im Magen entsteht durch eine verminderte Durchblutung des Magen-Darm-Trakts. Der Körper pumpt das Blut in Gehirn und Muskeln, weil er die Situation als möglicherweise gefährlich einschätzt. Bei Gefahr stellt sich der Körper so auf Kampf oder Flucht ein. Der Puls wird schneller, so kann mehr Blut pro Zeiteinheit durch den Körper gepumpt werden. Auch die Blässe und der kalte Schweiß sind Folge der erhöhten Vagus-Aktivität.
Genau wie sich die Reizschwelle individuell unterscheidet, ist auch die Symptomschwere verschieden. Als leichte Vorstufe kann beispielsweise vermehrtes Gähnen, Mattigkeit oder Müdigkeit auftreten.
Bei besonders schwer ausgeprägter Symptomatik ist sogar ein Kreislaufzusammenbruch möglich.
Behandlung/Therapie
Grundsätzlich empfiehlt sich bei einer Kinetose eine Vermeidungs- statt Behandlungsstrategie. Sollten dennoch Symptome auftreten, können diese mit Hausmitteln oder Medikamenten behandelt werden.
Bei leichten Beschwerden kann sich Ingwer lindernd auswirken. Zeigen sich stärkere Beschwerden kann auf Medikamente zurückgegriffen werden.
Rezeptfrei erhältlich ist beispielsweise
Dimenhydrinat, das direkt im Gehirn den Brechreiz unterdrückt, als Nebenwirkung aber müde machen kann. Das Medikament ist zudem nicht für jeden geeignet: Personen, die unter einem Grünen Star (Engwinkelglaukom), Krampfanfällen, Herzproblemen (verlängerte QT-Zeit) oder Prostata-Beschwerden leiden, sollten Antihistaminika wie Dimenhydrinat nicht einnehmen, beziehungsweise die Einnahme
vorher mit ihrem Arzt abklären. Bei Kindern sollte vorher unbedingt der Kinderarzt um Rat gefragt
werden.
Rezeptpflichtige Präparate sind Scopoderm, Promethazin und Kwells. Als Pflaster oder Tabletten erhältlich wirken sie auf die Hirnareale ein, die bei der Reizverarbeitung eine Rolle spielen und Übelkeitsgefühle auslösen. Sie unterdrücken damit Schwindel oder Erbrechen. Die Wirkstoffe helfen sehr
zuverlässig auch bei stärkeren Beschwerden, weisen jedoch höhere Wirkstoffdosierungen auf, wodurch es zu Nebenwirkungen kommen kann. Möglich sind unter anderem Juckreiz, Koordinationsstörungen und ein trockener Mund.
Aktuell wird die Möglichkeit einer Gleichstromtherapie untersucht – die transkranielle Gleichstrom-Stimulation (TDCS). Dabei werden zwei Gleichstrom-Elektroden auf dem Schädeldach angebracht. Diese verlängern die Zeit bis zum Eintritt von Kinetose-Beschwerden und mindern deren Stärke. Zudem vergehen Symptome schneller. Jedoch profitierten in ersten Versuchen von dieser Behandlung hauptsächlich Menschen, die grundsätzlich nicht besonders empfindlich für Kinetosen sind.
Risikofaktoren
Betroffen sind vor allem Kinder zwischen zwei und zwölf Jahren sowie Frauen, insbesondere während der Regelblutung und der Schwangerschaft. Säuglinge haben noch kein vollentwickeltes Gleichgewichtsorgan, deshalb entwickeln sie keine Kinetosen. Mit zunehmendem Alter sinkt die Empfindlichkeit für Reisekrankheit wieder. Betagte Menschen leiden nur selten unter diesen Beschwerden.
Ängstliche Menschen und solche, die unter Migräne leiden, neigen eher dazu, Symptome zu entwickeln. Zusätzlich erhöhen starke Gerüche, Koffein und Alkohol die Anfälligkeit.
Prophylaxe
Es empfiehlt sich, nicht nach einer schweren, fettreichen Mahlzeit oder auf leeren Magen zu reisen. Alkohol und Kaffee sollten von Menschen gemieden werden, die empfindlich reagieren. Wenn möglich sollte, gerade bei Autofahrten, selbst das Steuer übernommen werden. Aufgrund der Kontrolle über die Bewegung des Transportmittels, leiden Fahrer nur selten unter der Reisekrankheit.
Kann die Reise nur als Beifahrer angetreten werden, sollte ein Platz in der Mitte des Fahrzeuges gewählt werden mit Blick in Fahrtrichtung, wobei die Augen den Horizont fixieren.
Insbesondere auf Schiffen sind die Schwankungen in der Bootsmitte geringer.
Durch wiederholtes Reisen mit einem bestimmten Verkehrsmittel gewöhnt sich der Körper zudem an den Reizkonflikt. Die Symptome nehmen ab oder treten gar nicht mehr auf.
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