Kala-Azar

Überblick
Kala-Azar (Hindi: "schwarze Krankheit") ist eine tropische Infektionskrankheit, bei der bestimmte Zellen des Immunsystems zerstört werden.

In der Folge kommt es zu einer Schädigung von Lymphknoten und verschiedener Organe wie Haut, Leber, Milz und Knochenmark. Wegen der Beteiligung innerer Organe wird die Erkrankung auch "viszerale" Leishmaniose genannt, also Leishmaniose der Eingeweide. Bekannt ist die Krankheit darüber hinaus unter dem Namen Dum-Dum-Fieber, nach einer Stadt in Indien, im Bundesstaat West Bengal.
Von Kala-Azar zu unterscheiden ist die Leishmaniose, die ausschließlich Haut und Schleimhäute befällt (Kutane Leishmaniose, Amerikanische Haut- und Schleimhautleishmaniose).
Die Erreger von Leishmaniosen im Allgemeinen, die sog. Leishmanien, wurden 1900 von dem britischen Tropenarzt Sir William Boog Leishman (1865-1926) in Indien entdeckt und nach ihm benannt. 1903 beschrieb C. Donovan die Erreger von Kala-Azar.

Name Kala-Azar
Weitere Bezeichnungen Viszerale Leishmaniose, Dum-Dum-Fieber
Familie Trypanosomatidae
Vorkommen Mittel- und Südamerika, Südeuropa, Afrika, Süd- und Zentralasien; jährlich schätzungsweise 500.000 neue Infektionen
Ursachen Infektion mit Parasiten
Erreger Leishmanien (Leishmania donovani, Leishmania infantum, Leishmania chagasi)
Übertragung Stich durch Schmetterlingsmücken, v.a. Sandmücken ("sand flies")
Risikofaktoren/Risikogruppen fehlender Mückenschutz; Schwangere und Kinder, Immungeschwächte (v.a. bei HIV-Infektion)
Inkubationszeit variiert zwischen zwei Wochen und mehreren Monaten
Symtome Schwellung von Lymphknoten, Milz und Leber, unregelmäßige Fieberschübe, trockene, dunkel gefärbte Haut, Blutarmut, Bronchitiden, Magen-Darm-Beschwerden, Kräfteverfall
Komplikationen schwere Infektionen aufgrund zunehmender Abwehrschwäche
Diagnostik Erregernachweis und Antikörpertest
Therapie Antimonpräparate, Milefosine
Prognose führt unbehandelt fast immer zum Tod; bei rechtzeitiger Therapie gute Heilungsaussichten
Prophylaxe Schutz vor Mückenstichen

Ursachen/Erreger
Ursache für Kala-Azar ist eine Infektion mit Parasiten, sog. Leishmanien.Leishmanien sind tierische Einzeller (Protozoen) und gehören zur Familie der Trypanosomatidae.
Sie sind oval und haben einen Durchmesser von 2-5 µm (1 µm = Millionstel Meter). Bekannt sind 20 verschiedene Leishmanien - Arten, die beim Menschen Krankheiten verursachen. Kala-Azar wird im Wesentlichen durch die folgenden drei Arten hervorgerufen:

  • Leishmania donovani: Befällt vor allem Erwachsene; verbreitet in Südasien (v.a. Indien, Bangladesch, Pakistan, Nepal).
  • Leishmania infantum: Befällt vorwiegend Kinder; verbreitet in Küstengebieten des Mittelmeerraumes, in Zentralasien sowie in Afrika.
  • Leishmania chagasi: Verbreitet in Mittel- und Südamerika.

Für ihre Vermehrung benötigen Leishmanien einen Wirt - den Menschen oder Wirbeltiere (v.a. Hund, Fuchs, Schakal, Nagetiere). Sie werden, nachdem sie ihren Wirt befallen haben, von bestimmten Immunzellen aufgenommen. Hierbei handelt es sich um "Fresszellen", sog. Phagozyten (griech. phagein = fressen, kytos = Zelle), die in Lymphknoten, Milz, Leber oder Knochenmark gebildet werden. Im Normalfall zerstören sie eingedrungene Krankheitserreger oder Fremdkörper. Die Leishmanien vermehren sich in den Phagozyten jedoch so schnell, dass die betroffenen Zellen platzen. Die Folge ist eine Schädigung verschiedener Organe.

Übertragungswege
Die Übertragung der Leishmanien auf den Menschen erfolgt durch den Stich weiblicher Schmetterlingsmücken, sog. Sandmücken (Phlebotomus, "sand flies"). Diese Insekten sind 2-3 mm lang. Die Leishmanien werden von den Sandmücken mit einer Blutmahlzeit aufgenommen und reifen in deren Darm etwa 4-25 Tage heran. Anschließend gelangen sie über den Stechrüssel der Insekten in die Haut von Wirbeltieren oder Menschen.

Inkubationszeit
Die Inkubationszeit, d.h. die Zeit zwischen dem Beginn der Infektion (Stich der Mücke) und dem Auftreten von Krankheitszeichen, variiert bei Kala-Azar zwischen zwei Wochen und mehreren Monaten.
In Einzelfällen kann die Krankheit sogar noch Jahre später ausbrechen.

Anzeichen, Symptome
Nur bei etwa 10% der Infizierten entwickelt sich eine Krankheit. Anfangs ist das Allgemeinbefinden der Betroffenen wenig gestört.
Zeichen der Erkrankung sind vor allem ein Anschwellen von Lymphknoten, Milz und Leber sowie unregelmäßig wiederkehrende Fieberschübe. Später treten verschiedene Symptome auf wie Gewichtsverlust, Kräfteverfall, Entzündungen der Bronchien, Blutungen an Haut und Schleimhäuten, Magen-Darm-Beschwerden und Blutarmut.

In fortgeschritteneren Krankheitsstadien erscheint die Haut trocken und stellenweise dunkel pigmentiert (daher der Name "schwarze Krankheit").
Das Immunsystem der Patienten ist zunehmend geschwächt, so dass es zu weiteren schweren Infektionen, z.B. mit Tuberkulose, kommt.

Diagnose
Da die Symptome von Kala-Azar eher unspezifisch sind und es sich um eine tropische Infektionskrankheit handelt, die in unseren Breiten ungewöhnlich ist, erleben die Betroffenen nicht selten eine längere Odyssee mit vielen Fehldiagnosen. Aus diesem Grund ist die Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese), vor allem im Hinblick auf Auslandsaufenthalte in tropischen Gebieten, von enormer Bedeutung.
Die Erreger können direkt über die Entnahme von Zellen aus dem Knochenmark, der Milz oder Lymphknoten (Punktion) nachgewiesen werden. Zusätzlich ist ein Test auf Antikörper im Blut möglich, die vom Immunsystem als Antwort auf die eingedrungenen Erreger gebildet werden.

Behandlung/Therapie
Die Behandlung der viszeralen Leishmaniose stützt sich im Wesentlichen auf sog. Antimonpräparate (v.a. Stibogluconat-Natrium). Die Medikamente werden über mehrere Wochen gespritzt. Sie können teilweise erhebliche Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Gewichtsverlust, Blutdruckabfall oder Leberschäden verursachen. Bei Rückfällen der Erkrankung werden Antimonpräparate häufig mit Antimykotika kombiniert, z.B. mit Paromomycin oder Amphothericin B.
In Indien ist seit einigen Jahren die Behandlung von Kala-Azar mit Milefosine möglich. Dieses Medikament liegt in Tablettenform vor. Es hat sich als sehr wirksam herausgestellt - auch in Fällen, bei denen die Erreger nicht mehr auf die herkömmliche Therapie mit Antimonpräparaten reagieren, also resistent (widerstandsfähig) geworden sind.

Alternative Behandlungsmöglichkeiten
Wirksame alternative Behandlungsmöglichkeiten sind bei Kala-Azar nicht bekannt.

Verlauf, Prognose
Die Krankheit beginnt in der Regel schleichend mit unregelmäßig wiederkehrenden Fieberschüben. Im Verlauf kommt es zu einer allgemeinen Schwäche des Immunsystems, in deren Folge schwere lebensbedrohliche Infektionen auftreten können, z.B. Tuberkulose.

Ein besonderes Problem besteht im Hinblick auf Infektionen mit HIV. Während Kala-Azar im Normalfall nur bei etwa 10% der mit Leishmanien infizierten Menschen Symptome verursacht, bricht die Krankheit bei HIV-Infizierten nahezu immer aus, da deren Immunsystem bereits geschwächt ist. Umgekehrt beschleunigt Kala-Azar bei einer HIV-Infektion den Ausbruch von AIDS.

Unbehandelt führt Kala-Azar fast immer innerhalb weniger Jahre zum Tod. Werden jedoch rechtzeitig Therapiemaßnahmen eingeleitet, bestehen jedoch gute Heilungschancen. Etwa 90% der Patienten können mit den derzeitigen therapeutischen Möglichkeiten erfolgreich behandelt werden.

Vorkommen/Häufigkeit
Kala-Azar kommt vor allem in Afrika, Süd- und Zentralasien, Mittel- und Südamerika sowie den Küstengebieten des Mittelmeerraumes vor. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erkranken weltweit jedes Jahr rund 500.000 Menschen daran. Etwa die Hälfte aller Fälle treten allein in Indien auf.

Risikogruppen

  • Schwangere
    Während der Schwangerschaft ist eine Erkrankung mit Kala-Azar besonders gefährlich. Die Folgen der Erkrankung wie Blutarmut oder Zweitinfektionen bergen sowohl für die Schwangere als auch für das ungeborene Kind große Risiken. Entwicklungsstörungen des Kindes, Tod-, Fehl- oder Frühgeburten, vermindertes Geburtsgewicht und eine erhöhte Säuglingssterblichkeit können auftreten. Darüber hinaus sind die derzeit verfügbaren Medikamente mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden und bei einer Schwangerschaft nicht ohne Risiko einsetzbar.
  • Kinder
    Kinder gehören ebenfalls zu den Hochrisikogruppen. Besonders Kinder unter fünf Jahren sind bei einer Infektion mit Leishmanien von schweren Krankheitsverläufen und Folgeschäden bedroht. Die derzeit verfügbaren Medikamente sind nicht ohne Weiteres bei Kindern anwendbar. Auch einige wirksame insektenabweisende Mittel (Repellents) sind für Kinder ungeeignet.
  • Immungeschwächte
    Eine Schwächung des Immunsystems (z.B. bei Vorerkrankungen oder bei Immunsuppression nach Organtransplantation) geht nach einer Infektion mit Leishmanien mit einem erhöhten Risiko für den Ausbruch der Krankheit einher. Insbesondere Personen, die sich bereits mit dem HI-Virus angesteckt haben, entwickeln fast immer Krankheitssymptome. HIV-Infizierte haben außerdem, wenn sie an Kala-Azar erkranken, ein erhöhtes Risiko für den Ausbruch von AIDS. In Entwicklungsländern wird zunehmend eine Kombination von Kala-Azar und HIV-Infektionen beobachtet.

Impfung
Eine wirksame Impfung zur Vorbeugung von Kala-Azar existiert nicht.

Expositionsprophylaxe
Die einzige Möglichkeit, einer Infektion mit Leishmanien vorzubeugen, ist ein wirksamer Schutz vor Mückenstichen.
  • Kleidung
    Soweit möglich sollte der Körper so großflächig wie möglich von fester Kleidung bedeckt sein, auch wenn dies häufig nur unzureichend durchführbar und für sich allein keinen ausreichenden Schutz darstellt, durchdringen doch etwa 40% aller Mückenstiche die Kleidung. Um die Schutzwirkung von Textilien zu erhöhen, können sie genau wie Moskitonetze mit Insektizidsprays behandelt werden.
  • Moskitonetze
    Heutzutage bevorzugt man insektizidimprägnierte Moskitonetze (mit pyrethroidhaltigen Insektiziden behandelt) aus Kunststoff, da diese leichter und nicht so anfällig für Feuchtigkeit sind wie Baumwollnetze. Wichtig ist eine Maschengröße von nicht mehr als 1,2 x 1,2 mm bzw.180-200 mesh/square. Weiterhin sollte das Moskitonetz den Körper nicht berühren, rundum unter der Matratze fixiert sein oder - bei Hängematten - rundum fest auf dem Boden aufliegen (ausreichend langes Netz mit Erdstreifen).
  • Raumschutz
    Wirkungsvolle Mittel zum Insektenschutz in Räumen sind Fliegengitter vor sämtlichen Raumöffnungen sowie Insektizide (Räucherspiralen, Insektizidverdamper, Insektizidsprays). Ultraschallgeräte haben sich in der Mückenbekämpfung als wirkungslos erwiesen.
  • Repellents (mückenabweisende Mittel)
    Repellents haben eine abweisende Wirkung auf Mücken oder andere Insekten. Sie werden auf die Haut aufgetragen, wobei verschiedene Wirkstoffe in unterschiedlichen Darreichungsformen (Sprays, Lotionen, Gele, Cremes) zur Verfügung stehen. Die meisten heutzutage verwendeten Repellents sind für den Menschen wohlriechend und haben gute Gebrauchseigenschaften. Übel riechende, klebrige Substanzen gehören eher der Vergangenheit an. Die Wirkstoffe unterscheiden sich in Effektivität, Wirkspektrum und Wirkdauer. So haben Sprays z.B. generell eine kürzere Wirkdauer als andere Darreichungsformen. Für Kinder stehen spezielle Repellents zur Verfügung.
    Es ist ratsam, mückenabweisende Mittel erst nach anderen Hautpflege- oder Sonnenschutzmitteln aufzutragen, damit sie nicht überdeckt werden. Auch der Kontakt mit Wasser (Schwimmen, starkes Schwitzen) kann die Wirksamkeit der Mittel herabsetzen. Schleimhautkontakt sollte vermieden werden, spezielle Hinweise auf Unverträglichkeiten sowie mögliche Materialschäden an Kunststoffen sind gesondert zu beachten.
Chemoprophylaxe
Eine medikamentöse Vorbeugung von Infektionen mit Leishmanien ist derzeit nicht möglich.
Naturheilkundliche Vorsichtsmaßnahmen, Ernährung
Es existieren verschiedene Berichte über alternative Vorsichtsmaßnahmen, deren Wirkung jedoch nicht hinreichend gesichert oder teilweise sogar widerlegt ist. So werden bestimmte ätherische Öle als Repellents empfohlen. Diese sind jedoch nicht zuverlässig wirksam. Aufgrund der Gefährlichkeit von Kala-Azar ist von Experimenten bezüglich alternativer Vorsichtsmaßnahmen eher abzuraten.

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