Nepals früheste Geschichte ist von Legenden durchwoben, die von Göttern und wundersamen Ereignissen berichten. Wahrheit und Mythos vermischen sich zu einem unerschöpflichen Fundus von Überlieferungen, die wesentlich zum Reiz des Landes beitragen.
Bis etwa zum Jahr 1000
In der Frühzeit war das Tal, in dem das heutige Kathmandu liegt, ein großer Gebirgssee. Durch ein Erdbeben trockengelegt, wanderten in diesen Landstrich zahlreiche Menschen aus den umliegenden Gebieten ein und vereinigten sich zum Mischvolk der so genannten Newar. Das Tal war äußerst fruchtbar und für den landwirtschaftlichen Anbau geeignet. Dieser landwirtschaftliche Vorteil führte zur Entwicklung von handwerklichen Fähigkeiten der Bevölkerung, die im ostasiatischen Raum bekannt wurden (zum Beispiel der Pagoden-Baustil). Im 7. Jahrhundert begann sich der Buddhismus in Nepal auszubreiten, konnte sich aber nie gegenüber dem Hinduismus durchsetzten.
Ab etwa dem 8. Jahrhundert waren möglicherweise die Könige der Gopola- und Ahir-Dynastie die ersten Herrscher des Kathmandu-Tals. Die Gopola-Dynastie wählte einen heiligen Ort bei Thankot zu ihrem Sitz, an dem sich heute Mata Tirtha oder das "Mutter-Heiligtum" befindet. Einer Überlieferung nach überdauerte die Dynastie 521 Jahre und wurde dann von den Kiranti aus dem heutigen Ostnepal verdrängt.
Um 200 nach Christi fand die Kirantie-Dynastie ihr Ende, als Somabansi-Könige aus Nordindien ins Land einfielen. Sie wählten den Fuß des Pulchowki-Berges am Südrand des Kathamndu Valleys zu ihrer Residenz. Diese Herrscher waren mit ausschlaggebend für die Verankerung des hinduistischen Kastensystems in der Gesellschaft. Um 300 drangen die Nordindischen Licchavi in das Tal ein und löste die Somabansi-Dynastie ab. Ab diesem Zeitpunkt sind historisch gesicherte Fakten zu finden.
In den Jahren 464-897 herrschten die Licchavi über das Kathmandu-Tal. Kunst, Handwerk und Architektur erlebten eine Blütezeit, aus der heute noch zahlreiche Tempel und Kunstschätze erhalten sind. Verbesserte Handelswege zwischen Tibet und dem Kathmandu-Tal sorgten für einen kulturellen Austausch. Nach dem Tode des Königs Jayadeva II. ging die Licchavi-Periode zu Ende und eine Ära verschiedener sich bekämpfender Dynastien begann.
Die so genante Thakuri-Periode (897 - 1182) wurde durch den König Ragavadeva Lakshmi begründet. Herrscher aus verschiedenen indischen Fürstenhäusern, vornehmlich aus der Kriegerkaste der Rajputen, übernahmen die Macht.
Vom Jahr 1000 bis zum 17. Jahrhundert
Nach der Thakuri-Periode übernahm um 1200 die Malla-Dynastie (bis 1768) die Herrschaft über das Land. Weitere Kriege und Naturkatastrophen beutelten in den folgenden Jahrhunderten das Land, forderten Opfer unter den Menschen und zerstörten Tempel und andere Heiligtümer. Mit der Krönung Jayasthitis 1382 begann die dritte, als wichtigste angesehene Generation der Malla-Dynastie. Der König zerschlug die Banden, die seit Mitte des Jahrhunderts das Tal unsicher machten und baute einen geordneten Staat auf. Die Pflichten der verschiedenen Kasten sowie deren Unterscheidung durch Kleidung und Wohngebiet wurden in einer Art Codex festgelegt.
Im Jahr 1428 wurde Yakshya Malla König und dehnte den Einflussbereich der Mallas über die Grenzen des Kathmandu-Tals hinaus aus. Er erwies sich als generöser Kunstmäzen und Religionsförderer und setzte diesbezüglich Maßstäbe, denen spätere Herrscher folgen sollten. 1482 starb Yakshya Malla und sein Reich wurde unter seinen vier Kindern aufgeteilt. Diese herrschten von nun an getrennt über Kathmandu, Bhaktapur, Patan und Banepa und bildeten die erste Generation von separaten Dynastien. In der Folgezeit befanden sich diese vier Dynastien permanent im Kriegszustand gegeneinander. Da sich die Rivalität auch auf das Kunsthandwerk ausbreitete, entstanden prächtige säkulare Bauten.
Die durch die ständigen Auseinandersetzungen geschwächten Reiche wurden zu Angriffspunkten durch Herrscher aus dem Hinterland. Dravya Shah eroberte die Festung von Gorkha, von der zwei Jahrhunderte später die Einigung Nepals ausgehen sollte. Siddhi Narasinha Malla regierte von 1618 bis 1658 in Patan und erwies sich als unermüdlicher Bauherr von Tempelanlagen. Auch im Kathmandu Valley, regiert durch Pratap Malla (1641 - 1674), entstanden zahlreiche Baudenkmäler, die das heutige Stadtbild von Kathmandu prägen. 1685 griff das Herrscherhaus von Gorkha in das Geschehen des Kathmadutals ein und unterzeichnete einen Pakt mit Kathmandu und Bhaktapur gegen Patan.
Nepal im 18. und 19. Jahrhundert
1719 forderte die Pest im Kathmandu-Tal über 20.000 Opfer. 1734 bestieg der letzte Malla-Regent in Kathamndu den Thron. 1768 marschierten Prithvi Narayan Shahs Truppen am Indrajatra-Fest in Kathmandu ein. Die Bevölkerung ist zu betrunken, um sich zu wehren. 1769 griff Prihvi Narayan Shah Bhaktapur an, nachdem sich Patan bereits ergeben hatte, und wurde uneingeschränkter Herrscher über das gesamte Tal. Er machte Kathmandu zur Hauptstadt und begründete die Shah-Dynastie, die bis heute fortbesteht. 1774 starb der "Vater der Nation" Prithvi Narayan Shah.
In den Jahren 1787 bis 1792 fielen die Gorkha-Armeen im Zuge einer angestrebten territorialen Erweiterung in Sikkim und Tibet ein und provozierten so einen Krieg mit China, in dem sie unterlagen. Auf Grund dieser Niederlage wendete sich Nepal der British East India Company zu und unterzeichnete mit ihr ein Handelsabkommen. 1795 überfielen nepalesische Truppen Kumaon und Garhwal im westlichen Himalaya und annektierten sie. In den Jahren 1814 bis 1816 führten Übergriffe der nepalesischen Armeen auf britisches Gebiet zu einem Krieg mit der englischen Kolonialmacht. Die Briten siegten, waren aber von der Kampfkraft der Nepalesen so beeindruckt, dass sie von nun an Rekrutierungen in ihrer Armee vornahmen. Die legendären Gurkha-Regimenter, die zahlreiche britische Schlachtsiege erreichten, waren geboren.
1846 nahm der Offizier Jung Bahadur Kawar andauernde Zwiste am Königshof zum Anlass, bei einer Krisensitzung alle anwesenden Persönlichkeiten und politische Gegner umzubringen (Kot-Massaker, übersetzt: Festungsmassaker). Er machte den jungen Kronprinzen Surendra Vikram Shah zum König, besetzte aber alle anderen wichtigen Posten mit Familienmitgliedern. Die Rana-Dynastie sollte Nepal über ein Jahrhundert regieren. Nach einem Staatsbesuch 1852 in England führte Jung Bahadur Rana eine Gesetzgebung nach englischem Vorbild und europäische Kleiderordnung am Hofe ein. Palastbauten aus jener Zeit trugen deutlich europäische Züge.
Aus Anlass des indischen Aufstandes 1857 bis 1858 gegen die Kolonialmacht entsendete Jung Bahadur Truppen zur Unterstützung der Engländer. Er erhielt im Gegenzug einen Teil des westlichen Terais, womit das Land Nepal seine heutige Ausdehnung erreichte. 1877 starb Jung Bahadur, sein Nachfolger Uddip Rana konnte einen Machtübernahmeversuch der Shahs niederschlagen. 1885 wurde Uddip Rana von Bir Shamsher Rana ermordet. Dieser schwang sich zum allgewaltigen Premierminister auf und schloss Jung Bahadurs Zweig der Familie von der Macht aus.
20. Jahrhundert bis heute
1914 bis 1918 entsendete Chandra Shamsher Rana, der wichtigste Herrscher der Rana-Folge, Gurkhas, die an der Seite der Briten im 1.Weltkrieg kämpften. 1923 erkannte Großbritannien Nepal als unabhängigen Staat an.
1934 ebnete ein gewaltiges Erdbeben die meisten Bauten des Kathmandu Valleys ein und tötete tausende Bewohner. Im 2. Weltkrieg kämpften mehr als 250.000 Gurkhas unter britischer Fahne oder in der nepalesischen Armee. Indiens Unabhängigkeit im Jahre 1947 weckte den Wunsch nach einem Ende des repressiven Rana-Regimes. In den folgenden Jahren schlug sich der machtlose, aber in der Bevölkerung hochverehrte König Tribhuvan auf die Seite seines Volkes.
Nachdem der König Tribhuvan aus dem Exil in Indien zurückgekehrt war, stimmten die Ranas unter indischem Druck einer Koalitionsregierung zu, an der Vertreter des Königshauses, Mitglieder der Nepali Congress Party und der Ranas teilhatten. Nepal öffnete sich ab diesem Zeitpunkt der Außenwelt.
1953 bezwangen der Neuseeländer Edmund Hillary und der Sherpa Tensing Norgay als erste den Mount Everest und waren somit die Vorhut für zahlreiche Bergsteiger, die folgten und noch immer folgen.
Im Jahre 1962 führte der 1955 gekrönte König Mahendra landesweit das Panchayat-System ein und verbot alle politischen Parteien. Panchayat, übersetzt "Fünferräte", waren üblicherweise Dorfräte, die für lokale Belange zuständig waren. Da der König einen Großteil der Mitglieder des obersten Panchayat selber ernannte, war ihm der direkte Machtzugriff garantiert. 1972 starb König Mahendra und ihm folgte sein Sohn Birendra Bikram Bir Shah nach.
In einem Volksentscheid stimmten 1980 rund 55% der Wähler für die Beibehaltung des Panchayat-Systems anstelle eines Wechsels zu einer demokratischen Regierungsform. Blutige Unruhen pro-demokratischer Demonstranten hatten diesen Volksentscheid herbeigerufen. 1981 fand zum ersten Mal eine Wahl statt. Jedoch wurden nur Kandidaten zugelassen, die sich zum Panchayat-System bekannten. Aus den Wahlen ging Man Singh Shreshta als Regierungschef hervor. Dennoch lag alle Macht weiterhin beim König, der sich zunehmender Kritik ausgesetzt sah.
Aufgrund nepalesischer Waffengeschäfte mit China wurden die Handels- und Transitverträge durch Indien gekündigt. Es kam zu Lebensmittel- und Benzinknappheit und zu Preissteigerungen. Aus dieser Notsituation heraus schloss sich die Opposition zusammen und forderte eine Abkehr vom Panchayat-System. Hinzu kamen massive Vorwürfe der Korruption und Bereicherung an die herrschenden Panchayat-Mitglieder und die Königsfamilie. Ebenso gingen die Umwälzungen in Europa, besonders in Osteuropa, nicht spurlos an Nepal vorüber. 1990 fegte eine Demonstrations- und Streikwelle über das Land. Blutiger Höhepunkt war ein Massaker an einigen Hundert Demonstranten, die den Königspalast stürmen wollten und dem Kugeln der postierten Soldaten zum Opfer fielen.
Unter dem immer stärker werdenden Druck des Volkes stimmte König Birendra einem Mehrparteiensystem zu und begnügte sich mit der Rolle eines konstitutionellen Monarchen. Er beauftragte den oppositionellen Politiker Ganesh Man Singh mit der Bildung einer Übergangsregierung. Aus den ersten Wahlen in einem demokratischen Mehrparteiensystem ging 1991 die Nepali Congress Party mit 213 Parlamentssitzen als Sieger hervor und stellte den Premierminister Girija Prasad Koirala.
Die Kommunisten erhielten landesweit 69 Sitze. Im Mai 1993 verunglückten der Vorsitzende der Kommunistischen Partei und ein weiteres Parteimitglied tödlich. Gewalttätige Demonstrationen forderten eine genaue Aufklärung des Unfalls, zusätzlich wurde auf den Rücktritt von Premierminister Koiralas gedrängt, der sich dem Vorwurf der Vetternwirtschaft stellen musste und für die ruinöse Wirtschaftspolitik verantwortlich gemacht wurde. Unruhen und Proteste forderten bis zu 30 Todesopfer. Im gleichen Jahr suchte die größte Umweltkatastrophe das Land heim. Sintflutartige Regenfälle lösten Überschwemmungen aus, zahlreiche Dörfer wurden weggespült, Straßen und Brücken unpassierbar. Nach Regierungsinformationen kamen 2.000 Menschen in den Fluten um, inoffizielle Stellen bezifferten die Opfer jedoch auf etwa 12.000.
Schon im Mai 2002 war die 1990/1991 erkämpfte parlamentarische Demokratie am Ende. Nur König Gyanendra, die von ihm eingesetzte Regierung und Befürworter eines direkten königlichen Systems sprechen seither von einem Fortbestand der Demokratie und der konstitutionellen Monarchie. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Jahrelang hatten die gewählten Parteipolitiker die Verfassung missbraucht, Vetternwirtschaft und Korruption blühte. In vielen Gegenden des Landes ist der Staat seit Ausbruch des maoistischen Aufstands 1996 nicht mehr präsent. Seit Mai 2002 gibt es keine gewählten Vertreter auf nationaler Ebene mehr. Lokale Repräsentanten sind seit Juli 2002 im ganzen Land abgesetzt, seit Oktober 2003 werden auch die eingesetzten Beamten durch von der Regierung selektierte Parteifunktionäre ersetzt. Schon seit Oktober 2002 lag die exekutive Macht und Souveränität in den Händen des Königs. Seit Mai 2002 ist das Parlament aufgelöst. Der königliche Rat Raj Parishad wurde mit Befugnissen aufgewertet, die in der Verfassung nicht vorgesehenen sind. Der Anfang 2003 eingeleitete Friedensprozess mit den Maoisten brach im August 2003 zusammen.
Nachdem der König alle Macht an sich gerissen hatte, gab es besonders im März/April 2000 besonders starke öffentliche Demonstrationen für eine Rückkehr zur Demokratie, wobei es eine Reihe von Toten und Verletzten gab. Aufgrund der immer größere Teile der Bevölkerung ergreifenden öffentlichen Demonstrationen, musste der König einlenken: Am 28. April 2006 kam das vor knapp 4 Jahren aufgelöste Parlament wieder zu einer ersten neuen Sitzung zusammen.
Am 10. April 2008 fanden unter Mitwirkung der Maoisten unter ihrem Führer und früherem Guerilla-Chef Pushpa Kamal Dahal (genannt Prachandra) Wahlen zu einer verfassungsgebenden Versammlung statt. Das Ziel war die Abschaffung der über 240 Jahre alten hinduistischen Monarchie in Nepal. Die Wahl verlief nach Aussagen internationaler Beobachter relativ korrekt und weitgehend gewaltfrei. Von den 601 Sitzen der verfassungsgebenden Versammlung errangen die Maoisten 220 Sitze und wurden damit die größte Gruppierung.
Am 29. Mai 2008 schaffte die Versammlung die Monarchie in Nepal mit 560 gegen 4 Stimmen ab. In der Resolution der Versammlung hieß es, dass Nepal in Zukunft eine unteilbare, souveräne, sekuläre und alle Minderheiten umfassende demokratische Republik sei. Der 29. Mai wurde außerdem zum Tag der Republik erklärt. Der Palast des bisherigen Königs Gyanendra in Kathmandu wurde in ein Museum umgewandelt.
Neuen Kommentar hinzufügen