Die Frühgeschichte Armeniens
Das Gebiet, in welchem sich in etwa das heutige Armenien ausstreckt, weist erste Siedlungsspuren bereits für das 3. Jahrtausend v. Chr. auf. Obwohl diese frühe Bevölkerung durch eine einheitliche Kultur gebunden war, verhinderte die landschaftliche Beschaffenheit des Landes die Entstehung eines größeren politischen Gemeinwesens. Erst mit dem 13. Jahrhundert v. Chr. und den enormen Wanderungsbewegungen der Seevölker kam es zur Etablierung mehrerer kleinerer Fürstentümer, die als Nairi-Länder historisch bekannt sind.
Die Großmacht Assyrien, welche diese Länder Uratri nannte, versuchte, diese gewaltsam zu Tributzahlungen zu bringen. Unter Aramu kam es wegen der zunehmenden Bedrohung durch die Assyrer im 9. Jahrhundert v. Chr zur Vereinigung der Nairi-Länder zum Königreich Urartu, das sehr rasch zu einer hohen wirtschaftlichen Prosperität finden sollte. Hauptstadt des Reiches war die Stadt Tuspa (heute Van). Seine größte Ausdehnung erreichte Urartu unter dem König Sarduri II., der von etwa 765 bis 733 v. Chr. regierte, aber von den Assyrern im Kampf um die Herrschaft vernichtend geschlagen wurde. Weitere Kämpfe mit den Assyrern folgten, die schließlich mit einer Zerstörung des urartäischen Reiches durch den assyrischen König Sargon II. (721-704 v. Chr.) endeten. Trotz Versuche einer Neubelebung des Reiches war es aber in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht und wurde etwa um das Jahr ca. 585 v. Chr. von den Skythen und Medern vollends zerstört.
Die Bildung Armeniens und die antike Zeit
Das erste Mal wurde der Name „Armenien“ in der Zeit der Perser erwähnt, etwa im Jahre 520 v. Chr. Neuere Forschungen haben aufgezeigt, dass die Armenier entweder im 7. oder im 6. Jahrhundert v. Chr. nach Urartu eingewandert sein, sich dort mit der einheimischen Bevölkerung vermischt und schließlich deren Herrschaft übernommen haben müssen. Nach Herodot standen sie bei der Immigration unter ihrem Herrscher Arame (Armenos) aus Phrygien, was auch den Namen „Armenien“ erklärt. Das indoeuropäische Volk baute Urartu zu einem neuen Staat auf, der sich später zu Armenien entwickeln sollte. Das frühere Urartu wurde zwischen 546 und 331 v. Chr. von den Persern beherrscht. Diese hatten die Meder verdrängt und deren ehemaligen Herrschaftsbereich zu einem ersten Weltreich ausgebaut. Dieses reichte von Kleinasien bis Indien und beinhaltete auch die Provinz Armenien, welche damals noch in Ost- und Westarmenien untergliedert war.
Nachdem Alexander der Große im Jahre 334 v. Chr. seinen Feldzug gegen die Perser begonnen und das Reich wenige Jahre später erobert hatte, kam Armenien unter hellenistischen Einfluss, ohne indes erobert worden zu sein. Es geriet nach der Aufteilung des alexandrinischen Reiches zwischen den Diadochen in den Interessenbereich der Seleukiden, deren Reich Persien, Mesopotamien und Teile Kleinasiens umfasste. Sie wurden aber von den Römern in der Schlacht von Magnesia (188 v.Chr.) besiegt, worauf sich Artaxias zum König von Armenien ausrief. Er begründete damit die Dynastie der Artaxiden, welche in den kommenden Jahren die Unabhängigkeit Großarmeniens als eigenständiges Königreich forcieren konnten. Als sich die Macht des neuen Staates bis 55 v. Chr. auf den Höhepunkt zu bewegte, ließ sich Tigranes der Große zum „König der Könige“ bestimmen, der indes wegen seines Bündnisses mit Mithridates von Pontos an die Römer geriet, die ihn zwangen, das von ihm kontrollierte ehemalige seleukidische Kernland Syrien aufzugeben und die römische Oberhoheit über Armenien anzuerkennen.
Armenien als erstes christliches Land
Nachdem es den Parthern gelungen war, Vertreter ihres Herrscherhauses (Arsakiden) auf den armenischen Thron zu setzen, konnten die Sassaniden zwischen 252 und 297 Großarmenien unter ihren Machteinfluss bringen. Indes mussten diese am Ende des 3. Jahrhunderts die Oberherrschaft aufgeben, nachdem sie vom römischen Kaiser Diokletianus 297/98 besiegt worden waren. Es folgte Trdat III. aus der Dynastie der Arsakiden. Dieser König machte zu einer Zeit, als an den großen Sieg von Konstantinus dem Großen gegen Maxentius an der Milvischen Brücke (Pons Milvius) in Rom noch nicht zu denken war, das Christentum 301 zur Staatsreligion Armeniens. Armenien wurde mithin das erste Land in der Geschichte, welches durch eine rein christliche Religion geeint wurde.
Im Jahre 387 wurde das großarmenische Reich unter Rom und den Sassaniden aufgeteilt. Es war dies aber auch die Zeit, in welcher die Armenier eine beeindruckende christliche Kultur, Architektur sowie Literatur schufen und im Jahre 406 durch Mesrop Maschtoz ein eigenes Alphabet erhielten. Das Christentum blieb zwar nicht unumkämpft. Unter Yazdegerd II. versuchten es die Sassaniden, die Lehre des Zarathustra in Armenien einzuführen, was 451 indes einen vehementen Aufstand der Landesbewohner nach sich zog. Am Ende der folgenden Auseinandersetzungen stand die Anerkennung des Christentums durch die Sassaniden im Jahre 484.
Armenien im Mittelalter
Die Antike hatte für Armenien damit geendet, dass das Land ein Hauptkampfgebiet zwischen Byzanz und den Sassaniden war. Bis ungefähr 640 hatten die Byzantiner die größten Teile Großarmeniens erobert, doch gelang es den arabischen Stämmen bis zum 7. Jahrhundert, eine permanente Kontrolle über das Land zu erreichen. Indes konnte Aschot I. um 885 erneut ein armenisches Königreich begründen, das vom Kalif, aber auch vom Basileus in Konstantinopel anerkannt wurde. Unter Aschot II., der zwischen 915 und 928 regierte, konnten die Freiheitskämpfe der Armenier erfolgreich beendet werden. Das armenische Königreich aber ging in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts an inneren Krisen und verlorenen Kriegen unter, wobei die Byzantiner den letzten Herrscher ermorden ließen. Die Flüchtlinge aus Armenien etablierten jedoch im Jahre 1080 in Kilikien das unabhängige Fürstentum Kleinarmenien, das sich mit den Kreuzfahrern gegen Byzanz und Osmanen verbünden sollte. Nachdem Kleinarmenien 1342 an Zypern gefallen war und später an die ägyptischen Mamluken, wurde es darauf nun für sehr lange Zeit zu einem Bestandteil des Osmanischen Reiches, in welchem das armenische Sprachgebiet als Provinz Armenistan zusammengefasst und mit einer begrenzten Autonomie ausgestattet wurde.
Armeniens Neuzeit
Mit dem beginnenden 19. Jahrhundert und dem schrittweisen Zerfall des Osmanischen Reiches kam Armenien mehr und mehr unter den Einfluss Russlands, das nach dem siebenten Russisch-Türkischen Krieg (1828 bis 1829) den östlichen Teil des Landes kontrollierte und weitere Teile Armeniens nach dem neunten Russisch-Türkischen Krieg (1877 bis 1878). Die im „Friedensvertrag von Sèvres“ 1920 versprochene Souveränität Armeniens wurde aber wegen der politischen Bewegungen im ehemaligen Osmanischen Reich, v.a. durch die Mustafa Kemal Atatürks, nicht realisiert. Die 1908 an die Macht gelangte nationalistische jungtürkische Bewegung um Talaat Pascha begann 1915 mit der Arretierung und Deportation armenischer Intellektueller in Istanbul. Dies war der Auftakt zu einem der schwärzesten Kapitel beider Länder: dem armenischen Völkermord.
Dieser Völkermord stand im Zusammenhang mit dem Unabhängigkeitskampf der Armenier und ereignete sich in der Zeit zwischen 1915 und 1917. Bei Massakern und infolge der Todesmärsche kamen in dieser Zeit zwischen 300.000 und 1,5 Millionen Armenier ums Leben. Der Völkermord wird von den meisten Armeniern noch heute als ungesühntes Unrecht empfunden, an das sie eine angemessene Erinnerung verlangen. Dagegen spricht sich die offizielle türkische Sichtweise aus, welche die Deportationen als durch den Krieg genötigte Sicherheitsmaßnahmen legitimiert und sich stark auf die damaligen Umstände sowie die Übergriffe von armenischer Seite zurückzieht.
Nachdem vom „Vertrag von Sèvres“ durch den ihn revidierenden „Vertrag von Lausanne“ zugunsten der Türkei Abstand genommen worden war, teilten im Jahre 1920 Türkei und die spätere UdSSR Armenien unter sich auf - im Vertrag von Kars 1921 festgehalten. Ostarmenien wurde 1922 Teil der Transkaukasischen Sozialistischen Föderalen Sowjetrepublik und 1936 eine formal autonome Unionsrepublik der UdSSR. Diese Unionsrepublik (= Armenische Sozialistische Sowjetrepublik) wurde zu einem bedeutenden Standort für die chemische, die Schuhindustrie und die Informatik. Aus ihr, die wegen ihres angenehmen Klimas auch ein beliebter Touristenort der Russen werden sollte, stammten nicht nur viele wichte Bauteile für die sowjetische Raumfahrt. Jedoch war die Armenische SSR neben anderen auch ein Hortus der separatistischen Bewegungen innerhalb des Sowjetreiches
Ein verheerendes Erdbeben der Stärke 6,8 auf der Richterskala suchte am 7. Dezember 1988 die armenische Region Lori heim und tötete etwa 25.000 Menschen, die auch infolge des Winters und der unzureichenden Maßnahmen der Behörden zu Tode kamen. Erstmals aber in der Geschichte der Sowjetunion wurden ausländische Helfer ins Land eingelassen.
Armeniens Unabhängigkeit
Am 21. September 1991 erklärte das Land seine Unabhängigkeit von der Sowjetunion, anschließend erfolgte die Gründung der Republik Armenien. Der erste Präsident des Landes, Lewon Ter-Petrosjan, wurde im Jahr 1996 erneut gewählt, jedoch zwei Jahre später zum Rücktritt gezwungen. Grund dafür war, dass er im Konflikt mit Bergkarabach eine nach Ansicht der Bevölkerung zu kompromissbereite Politik betrieben hatte. 1994 hatten armenische Truppen etwa ein Sechstel Aserbaidshans besetzt und im Anschluss war keine einvernehmliche Lösung des Konfliktes gefunden worden. Lewon Ter-Petrosjans Nachfolger Robert Kotscharjan lehnte 1997 einen von Lewon Ter-Petrosjan und der aserbaidschanischen Regierung befürworteten Friedensplan ab. 1998 gewann Kotscharjan, bis dahin Präsident der Republik Bergkarabach, die Präsidentschaftswahlen. Er wurde 2003 wiedergewählt. Nach den Wahlen im Februar 2008 übernahm der ehemalige Premierminister Sersch Sarkissjan das Präsidentenamt, der eine ähnliche Politik wie Robert Kotscharjan verfolgt. Die Opposition unter Lewon Ter-Petrosjan erkannte das Wahlergebnis nicht an und reagierte mit mehrtägigen Demonstrationen, die zur Verhängung des Ausnahmezustandes führten.
Die Wirtschaft Armeniens leidet nicht zuletzt unter den gesperrten Grenzen zu Aserbaidshan und der Türkei. Unterstützung erhält das Land vor allem von den ca. 7 Millionen in der Diaspora lebenden Armeniern. Eine Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Türkei scheiterte bisher u. a. daran, dass die türkische Regierung darauf besteht, dass der Vorwurf des Genozids während des Osmanischen Reiches zurückgenommen wird und Armenien formell auf jede Form von Reparationen verzichtet.
Die Kämpfe zwischen Armenien und Aserbaidschan um Bergkarabach begannen im Juli 2020 an der
gemeinsamen Staatsgrenze nordwestlich von Bergkarabach, wobei sich beide Seiten gegenseitig
beschuldigten für die Eskalation verantwortlich zu sein. Die bewaffneten Scharmützel eskalierten am
27. September 2020 zu einer großräumigen bewaffneten Auseinandersetzung und einer aserbaidschanischen Offen-sive, in deren Folge rund Zweidrittel von Bergkarabach an Aserbaidschan gefallen waren. Am 10. November 2020 wurden die direkten Kampfhandlungen nach einer von Russland vermittelten Einigung beendet. Nahezu alle Armenier hatten die besetzten Gebiete verlassen.
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