Polonium-210

Einige phyikalische Grundlagen

Polonium 210 mit der Massezahl 210 - der Anzahl von Protonen und Neutronen im Atomkern - ist ein radioaktives Metall, das in der Natur nur in sehr geringen Mengen als Zerfallsprodukt der Uran-Radium-Zerfallsreihe vorkommt. Es entsteht über einen Betazerfall aus Wismut 210 (Bi 210). Dabei entstehen etwa 0,1 mg ( 1mg = 1Tausendstel Gramm) pro Tonne Uranerz.

Auf künstlichem Wege wird das Polonium vor allem in der Kernforschungsanlage in der Nähe der Stadt Sarow (Gebiet Nischni Nowgorod) hergestellt. Dabei erzeugt man das Po 210 durch den Beschuss von Wismut 209 (Bi 209) mit Neutronen. Das Bi 209 geht dann durch den Einfang eines Neutrons in seinen Atomkern in das Bi 210 über, das über einen Beta-Minuszerfall dann in das Po 210 zerfällt. In dieser ca. 400 km östlich von Moskau liegenden Kernforschungsanlage werden ca. 95% des weltweit offiziell produzierten Poloniums herstellt; das sind etwa 100 g pro Jahr. Aber auch Israel soll über Polonium verfügen, was aber nicht gesichert ist

Das Element Polonium mit der Ordnungszahl 84, die die Anzahl der Protonen im Kern des Elements angibt, wurde im Jahr 1897 von Marie Curie (1867-1934) entdeckt und ihr zu Ehren nach ihrem Geburtsland Polen (lateinisch Polonia) benannt. Marie Curie erhielt übrigens im Jahr 1911 für die Entdeckung des Poloniums und des Radiums den Nobelpreis für Chemie. Im Jahr 1903 hatte sie bereits gemeinsam mit ihrem Mann Pierre (1859-1906) sowie Antoine Henri Becquerel (1852-1908) den Nobelpreis für Physik erhalten.
Die Zahl 210 ist dabei die Summe der Protonen und Neutronen im Atomkern des Poloniums. Polonium 210 ist dabei ein Isotop des Elements Polonium. Es gibt noch weitere Isotope wie das Po 193 bis Po 218. Es zerfällt über einen Alphazerfall in das stabile Pb 206 (Blei).

Die physikalische Halbwertzeit Tphys. der Substanz, also die Zeit, nach der die Hälfte einer bestimmten Ausgangsmenge zerfallen ist, beträgt 138 Tage. Die biologische Halbwertzeit Tbiol., also die Zeit, nach der die Hälfte einer aufgenommenen Menge aus dem Körper ausgeschieden ist, schwankt zwischen 30 und 50 Tagen. Die gesamte Halbwertszeit T, also die Zeit, nach der die Hälfte einer aufgenommenen Menge aus dem Körper ausgeschieden wurde bzw. dort nicht mehr strahlt, berechnet sich wie folgt:

1/T = 1/Tphys. + 1/Tbiol.

Verwendung von Polonium

Zusammen mit Beryllium dient Polonium als Neutronenquelle in Kernkraftwerken und besonders in Kernwaffen. Aber Polonium eignete sich auch zur Herstellung von Radio-Isotop-Batterien. Heutzutage werden nur noch langlebigere Isotope anderer Elemente zum Einsatz, so Plutonium 238 mit einer Halbwertszeit über 80 Jahren. Diese Batterien sind wegen ihrer Langlebigkeit für Raumsonden, die ins äußere Sonnensystem vorstoßen besonders gut geeignet. Auch in der Textil- und Papierverarbeitenden Industrie wird Polonium 210 als Anti-Statik-Mittel verwendet. Dabei wird die Alpha-Strahlung des Poloniums zur Ionisierung der Luft in der Umgebung der Strahlenquelle dazu verwendet die statische Aufladung der betroffenen Flächen zu vermeiden. Um 1940 enthielten die Zündstifte von Firestone-Zündkerzen in den USA das radioaktive Po 210, das die Luft ionisieren und damit die Dauer des Zündfunkens verlängern sollte.

Der Alpha-Strahler Polonium wird in Verbindung mit Beryllium in transportablen Neutronenquellen benutzt. In Kernwaffen diente Polonium als Neutronenquelle, so wurden zum Beispiel in den amerikanischen Atombomben Little Boy und Fat Man, die auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden, Initiatoren aus Polonium und Beryllium zum Start der Kettenreaktion verwendet. Dabei führen die vom Polonium 210 ausgesandten Alphateilchen zu folgender Kernreaktion, bei der die erwünschten Neutronen freigesetzt werden;

α42 + Be9 4 ----> C126 + n 10

Polonium als Mordwaffe

Das radioaktive Metall Polonium ist einer breiten Öffentlichkeit durch die Veröffentlichung zweier spektakulärer Fälle bekannt geworden. So wurde der Russe Litwinenko mittels in den Körper eingebrachten Poloniums vergiftet und bei Jassir Arafat verdichteten sich die Anzeichen auf eine mögliche Vergiftung mit der Substanz so stark, dass er im November 2012 exhumiert wurde.

Alexander Litwinenko
Von etwa Mitte November bis Mitte Dezember 2006 wurde die Öffentlichkeit im Zusammenhang mit der Ermordung des russischen Ex-Spions und Russlandkritikers Alexander Litwinenko (gest. 23. Nov. 2006 in London) mit Meldungen über das Auffinden von Polonium 210, also der Substanz, mit der er vergiftetet wurde, stark irritiert. So meldete die Fluggesellschaft British Airways (BA) den Fund von Polonium 210 in einigen ihrer Maschinen.
Außerdem wurden in einer Hamburger Wohnung Poloniumreste und sogar vier leicht kontaminierte Personen aus dem Umfeld eines betroffenen Russen (Dimitri Kowtun) festgestellt.
Am 20. Januar 2016 wurde das Ergebnis eines Untersuchungsausschusses unter Leitung des Richters Robert Owen in Großbritannien vorgestellt.
Dem Bericht nach sollte der Auftrag zu dem Mord von dem russische Geheimdienst FSB in Auftrag gegeben worden sein.

Jassir Arafat
Im Jahr 2004 erlitt Jassir Arafat anlässlich eines öffentlichen Auftritts einen gesundheitlichen Zusammenbruch. In der Nacht zum 28. Oktober 2004 verschlechterte sich sein Zustand so sehr, dass die israelische Regierung gestattete, dass er zur Behandlung ins Militärkrankenhaus Percy - in der Kleinstadt Clamart in der Nähe von Paris gelegen - ausgeflogen werden durfte. Das Hospital verfügt u.a. über eine Spezialabteilungen für die Behandlung von radioaktiv kontaminierten Patienten.
Am 11. November 2004 verstarb Arafat. Sein Leichnam wurde anschließend mit einer französischen Militärmaschine nach Kairo geflogen, wo am 12. November eine Trauerfeier stattfand, Nach der Trauerfeier wurde sein Leichnam nach Ramallah geflogen, wo er dann beigesetzt wurde.
Bereits seit damals gab es Gerüchte, dass er ermordet worden sei. Nachdem seine Witwe Kleidungsstücke von ihm in der Schweiz untersuchen ließ, bekamen die Gerüchte neuen Auftrieb. Es wurden nämlich Reste von Polonium an der untersuchten Kleidung festgestellt.
Daraufhin fand am 27. November 2012 eine Exhumierung seiner sterblichen Überreste statt. Anfang November 2013 gab die schweizer Untersuchungskommission bekannt, dass im Skelett von Arafat der 18-fache Wert der normalen Dosis an Polonium-210 - und damit eine tödliche Dosis - gefunden wurde. Arafat wurde demnach ermordet.

Polonium im Zigarettenrauch

Über den Phosphatdünger, in dem sich Spuren der Produkte der natürlichen Zerfallsreihen befinden, kommt das Edelgas Radon auf die Blätter der Tabakpflanzen, wo es über Zwischenschritte in Polonium 210 zerfällt. Das Polonium haftet an den Blättern der Tabakpflanzen und wird dann vom Raucher beim Rauchen inhaliert. Aber die Pflanzen nehmen zudem auch über ihre Wurzeln Zerfallsprodukte der natürlichen Zerfallsreihen auf, die dann in der Pflanze in das Po 210 zerfallen. Das beim Rauchen inhalierte Polonium verbleibt zum Teil in der Lunge, aber ein Teil wird mit der Atemluft wieder ausgeatmet.
Allerdings nimmt man mit einer Zigarette nur die sehr geringe Aktivität von 0,02 Becquerel auf. Dabei ist das Becquerel eine Maßeinheit für die Aktivität, also die Strahlstärke einer radioaktiven Substanz. Dabei ist 1 Becquerel (Abk: Bq) der Zerfall eines Atoms (Nuklid, Isotop) pro Sekunde.

Für besonders Interessierte sei erwähnt, dass 0,1 Mikrogramm Polonium 210 eine Aktivität von 20 Millionen Bq besitzt.
Erwähnenswert ist auch die Tatsache, dass die deutsche Strahlenschutzkommission bereits im Jahr 2003 einen Grenzwert für Polonium 210 und Blei 210 im Trinkwasser von 0,1 bzw. 0 empfohlen hat.
Zum Vergleich sei darauf hingewiesen, dass sich im menschlichen Organismus ca. 8.000 Bq aller möglichen Radionuklide befinden, die zu einer "inneren Strahlenbelastung" von rund 0,3 mSv führen. Diese Strahlenbelastung rührt von der natürlicherweise in der Luft, den Nahrungsmitteln und dem Trinkwasser vorkommenden radioaktiven Substanzen, die in den Körper aufgenommen werden, her.

Gesundheitliche Folgen

Polonium 210 sendet Alphateilchen mit einer Energie von 5,4 MeV (Mega-Elektronenvolt) aus. Diese Alphastrahlung ist von außen nahezu ungefährlich, da sie bereits durch Wasser bzw. Gewebe oder Kleidung mit einer Dicke von etwa 0,1 mm absorbiert wird.

Sofern die Substanz jedoch in den menschlichen Organismus gerät, ist ihre Wirkung dramatisch, da sich das Polonium in zahlreichen Organen ansammelt und dort "von innen her" die Zellen zerstört. So können bereits 0,1 Mikrogramm (1 Mikrogramm = 1 Millionstel Gramm) eine tödliche Dosis von rund 10 Sievert (Maßeinheit der Strahlenbelastung auf den Menschen) zur Folge haben. Der Tod tritt dann innerhalb weniger Wochen ein. Es gibt bisher keine wirksame Therapie dagegen.

Sofern das Polonium eingeatmet wird, schädigt es vorwiegend die Lungen, da es von dort kaum weiter transportiert wird. Gelangt es jedoch über den Magen-Darm-Trakt in den Körper, scheidet man ca. 40% - 50% davon über den Verdauungstrakt wieder aus, während sich der Rest zu ca. 30% in der Leber, zu 10% in dem blutbildenden roten Knochenmark, zu 10% in den Nieren und zu 5% in der Milz ablagert. Der weitere Rest verteilt sich über den gesamten Organismus. Da sich das Polonium sehr gut an Eiweiße und besonders an das Hämoglobin der roten Blutkörperchen bindet, werden zuerst die blutbildenden Zellen im Knochenmark sowie die Zellen im Magen-Darm-Trakt geschädigt. Die Schädigungen im Magen-Darm-Trakt führen zu riesigen Geschwüren, verbunden mit starken Blutungen und starken Schmerzen. Als sichtbares Zeichen fallen außerdem die Haare aus.

Polonium ist ein Metall und kann daher normalerweise nicht unbeabsichtigt in den Körper gelangen. Es sei denn, es liegt beispielsweise als Rauch oder Ärosol vor und wird dann eingeatmet. Das Polonium kann aber theoretisch auch über das Essen und Trinken, über die Atemluft oder über Wunden in den Körper gelangen. Es kann aber auch mittels einer winzigen Nadel als Mordwerkzeug verabreicht werden.

Neuen Kommentar hinzufügen